Es ist ein Szenario, das jeder PC-Enthusiast fürchtet: Man hat tief in die Tasche gegriffen, sich eine absolute High-End-Grafikkarte gegönnt – in meinem Fall die PowerColor Radeon RX 6900 XT Red Devil Ultimate – und anstatt grenzenloser Gaming-Freude erlebt man nur heiße Luft und gedrosselte Leistung. „Der Teufel im Detail” trifft es hier auf den Punkt, denn obwohl diese Karte auf dem Papier ein Kühlmonster sein sollte, verbarg sich bei meinem Exemplar ein Problem, das mich fast zur Verzweiflung trieb: dramatisch hohe Temperaturen.
Die RX 6900 XT Red Devil Ultimate ist kein gewöhnliches Modell. Sie ist die Speerspitze der PowerColor-Serie, bekannt für ihr überdimensioniertes Kühldesign, eine beeindruckende Werksübertaktung und eine massive TBP (Total Board Power), die sie zu einem echten Kraftpaket macht. Als ich sie das erste Mal in den Händen hielt, war ich begeistert: Drei massive Lüfter, ein riesiger Kühlkörper, eine robuste Backplate – das versprach kühle Köpfe selbst unter Volllast. Doch die Realität sah leider anders aus.
Der Schock der ersten Gaming-Sessions: Wenn der Hotspot brennt
Nachdem ich die Karte stolz in mein System integriert hatte, liefen die ersten Benchmarks und Gaming-Sessions. Die Performance war wie erwartet atemberaubend. AAA-Titel in 4K bei hohen FPS – ein Traum wurde wahr. Doch ein Blick auf die Telemetriedaten in Adrenalin Software oder Tools wie HWMonitor ließ mich schlucken. Während die GPU-Kerntemperatur noch halbwegs im Rahmen von 70-75°C lag, schoss die sogenannte Hotspot-Temperatur (auch bekannt als Junction Temperature) ins Unermessliche. Werte von 95°C, 100°C, ja sogar bis zu 110°C waren keine Seltenheit. Das ist alarmierend, denn AMD spezifiziert 110°C als die maximale sichere Betriebstemperatur für den Hotspot, bevor ein aggressives Throttling einsetzt, um Schäden zu vermeiden.
Was bedeutet das für mich als Gamer? Ganz einfach: Die Karte konnte ihre volle Leistung nicht entfalten. Sobald der Hotspot diese kritischen Werte erreichte, drosselte die GPU Taktraten und Leistungsaufnahme. Das Ergebnis waren unerklärliche FPS-Einbrüche und eine inkonsistente Gaming-Performance. Ein teures Stück Hardware, das sein Potenzial nicht ausschöpfen konnte – das war inakzeptabel.
Die Jagd nach der Ursache: Erste Schritte der Fehlersuche
Zunächst vermutete ich die üblichen Verdächtigen. War mein Gehäuse-Airflow nicht ausreichend? Ich überprüfte meine Lüfterkonfiguration: Drei Einlasslüfter vorne, ein Auslasslüfter hinten, zwei Auslasslüfter oben. Alle Lüfter sind hochwertige Modelle mit gutem statischem Druck. Der Airflow im Gehäuse ist generell exzellent, die CPU-Temperaturen waren vorbildlich. Ich versuchte verschiedene Lüfterkurven, erhöhte die Gehäuselüfter auf maximale Drehzahl – ohne nennenswerten Erfolg für die Grafikkarte. Die Hotspot-Temperatur blieb hartnäckig hoch.
Nächster Punkt auf der Liste: Treiber. War es ein Softwarefehler? Ich installierte die neuesten AMD Adrenalin-Treiber, probierte ältere Versionen, führte eine saubere Deinstallation mit DDU durch – alles ohne Erfolg. Die extremen Hotspot-Werte blieben. Auch ein BIOS-Update der Grafikkarte (falls verfügbar) wurde geprüft, aber PowerColor hatte hier keine neuen Versionen veröffentlicht, die dieses Problem adressierten.
Dann kam der Versuch des Undervoltings. Durch Reduzierung der Kernspannung bei gleichzeitig beibehaltener oder sogar leicht erhöhter Taktrate lässt sich oft eine signifikante Reduzierung der Leistungsaufnahme und damit der Wärmeentwicklung erreichen. Ich verbrachte Stunden damit, die optimalen Spannungs- und Frequenzwerte in der Adrenalin-Software zu finden. Ich erreichte passable Werte, konnte die Hotspot-Temperatur um 5-8°C senken, aber das Problem war immer noch präsent. Sie kletterte unter Volllast immer noch über 100°C, und das auf Kosten von etwas Performance, die ich eigentlich nicht opfern wollte.
Der Teufel im Detail: Die thermische Schnittstelle
Nachdem alle „einfachen” Lösungen fehlschlugen, wurde mir klar: Das Problem muss tiefer liegen. Die Diskrepanz zwischen der GPU-Kerntemperatur und der Hotspot-Temperatur ist bei AMD-Karten der RDNA 2-Generation bekannt. Sie entsteht durch unterschiedliche Messpunkte auf dem Die und kann in bestimmten Fällen bis zu 30°C betragen, ist aber im Regelfall ein Indikator für eine ungenügende Wärmeableitung vom heißesten Punkt des Chips zum Kühlkörper. Das deutete stark auf ein Problem mit der Wärmeleitpaste oder dem Anpressdruck des Kühlers hin.
Ich stand vor einer schwierigen Entscheidung: Die Karte zurücksenden und auf eine neue warten, mit dem Risiko, dass die neue Karte ähnliche Probleme hat oder ich lange auf Ersatz warten muss, oder selbst Hand anlegen. Da ich ein erfahrener PC-Bauer bin und die Red Devil Ultimate ohnehin außerhalb der Standard-Garantiebedingungen für solche Eingriffe liegt (da sie meistens ein „Enthusiasten”-Produkt ist und einige Hersteller das Öffnen tolerieren, solange keine Schäden entstehen), entschied ich mich für Letzteres. Das Risiko war klar: Eventueller Garantieverlust, aber die Aussicht auf eine funktionierende Karte war verlockender.
Die Operation am offenen Herzen: Repasting und Pad-Tausch
Der erste Schritt war das vorsichtige Zerlegen der Karte. Die Red Devil Ultimate ist ein komplexes Stück Technik. Zahlreiche Schrauben halten die Backplate und den Kühlkörper an Ort und Stelle. Besondere Vorsicht ist beim Entfernen der Kabel für die Lüfter und die RGB-Beleuchtung geboten. Nachdem der Kühler entfernt war, offenbarte sich das Problem:
- Alte Wärmeleitpaste: Die ab Werk aufgetragene Wärmeleitpaste war stellenweise hart und trocken. Noch schlimmer, die Verteilung auf dem großen GPU-Die war ungleichmäßig, mit sichtbaren Lücken, wo der Kühlkörper keinen optimalen Kontakt hatte. Das ist der Hauptgrund für hohe Hotspot-Temperaturen – schlechter Wärmeübergang vom Die zum Kühler.
- Thermische Pads: Die Thermal Pads auf den VRMs (Spannungswandlern) und VRAM-Modulen (GDDR6) wirkten ebenfalls etwas „müde” und hatten teilweise keinen optimalen Kontakt, was zwar nicht direkt für den Hotspot verantwortlich ist, aber die Gesamtleistung des Kühlers beeinträchtigt.
- Anpressdruck: Der Anpressdruck auf das Die schien ebenfalls nicht optimal zu sein. Die Schrauben zur Befestigung des Kühlers waren zwar fest, aber die ungleichmäßige Paste deutete auf eine fehlerhafte Montage hin.
Nun kam der spannende Teil: Die Erneuerung. Ich reinigte das GPU-Die und die Kühlplatte gründlich mit Isopropanol von allen Rückständen der alten Wärmeleitpaste. Für die neue Wärmeleitpaste entschied ich mich für eine hochwertige, nicht leitende Paste (Thermal Grizzly Kryonaut Extreme), die für ihre exzellenten thermischen Eigenschaften bekannt ist. Ich trug sie nach der „X-Methode” auf dem GPU-Die auf, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung beim Anpressen des Kühlers zu gewährleisten.
Auch die Thermal Pads wurden ersetzt. Ich maß die originalen Pads sorgfältig aus und bestellte hochwertige Ersatz-Pads mit der passenden Dicke (meist 1.0mm, 1.5mm und 2.0mm je nach Bereich). Es ist absolut entscheidend, die richtige Dicke zu wählen, da zu dicke Pads den Anpressdruck des Hauptkühlers auf die GPU verringern können, während zu dünne Pads keinen ausreichenden Kontakt herstellen.
Nachdem alles vorbereitet war, montierte ich den Kühler wieder. Dabei achtete ich besonders auf einen gleichmäßigen und festen Anpressdruck der Schrauben, die den Kühlkörper mit der Platine verbinden. Ich zog sie über Kreuz und in mehreren Schritten an, um sicherzustellen, dass die Wärmeleitpaste optimal verteilt wird und der Kühler perfekt auf dem Die sitzt.
Das Ergebnis: Ein glücklicher Gamer und kühle Temperaturen
Nach dem Zusammenbau und dem erneuten Einbau der Karte in meinen PC war die Spannung riesig. Hatte sich die Mühe gelohnt? Würde die Karte nun endlich ihr volles Potenzial entfalten?
Die Antwort war ein klares Ja! Die ersten Benchmarks und Gaming-Sessions zeigten eine sofortige und dramatische Verbesserung. Die GPU-Kerntemperatur sank unter Volllast auf etwa 60-65°C. Doch der wahre Triumph war die Hotspot-Temperatur. Sie erreichte nun maximal 80-85°C – ein Unterschied von über 20°C! Die Differenz zwischen Core und Hotspot lag jetzt bei vertretbaren 20°C, anstatt den vorherigen 30-40°C.
Die positiven Auswirkungen waren sofort spürbar. Die Karte hielt höhere Taktraten stabiler, das Throttling war verschwunden, und die FPS-Einbrüche gehörten der Vergangenheit an. Meine Gaming-Performance war nun konstant auf dem hohen Niveau, das ich von einer Karte dieser Preisklasse erwartet hatte. Selbst die Lüfter der Grafikkarte mussten nicht mehr so aggressiv drehen, was zu einem leiseren System führte.
Fazit und Empfehlungen für Geplagte
Meine Odyssee mit der RX 6900 XT Red Devil Ultimate ist ein klassisches Beispiel dafür, dass selbst Premium-Produkte unter Qualitätskontrollproblemen leiden können. Es ist frustrierend, wenn man für Top-Hardware bezahlt, aber am Ende selbst Hand anlegen muss, um die beworbene Leistung zu erhalten.
Wenn auch du Probleme mit hohen Hotspot-Temperaturen bei deiner AMD Radeon Grafikkarte (insbesondere RDNA 2, also RX 6000er Serie) oder einer anderen GPU hast, hier meine Empfehlungen:
- Grundlagen prüfen: Stelle sicher, dass dein Gehäuse-Airflow optimal ist, keine Staubansammlungen die Kühlung behindern und die Treiber aktuell sind.
- Software-Optimierung: Experimentiere mit Undervolting in der Adrenalin-Software oder MSI Afterburner. Auch angepasste Lüfterkurven können helfen.
- Detaillierte Analyse: Nutze Tools wie HWInfo64, um sowohl die GPU-Kerntemperatur als auch die Hotspot-Temperatur genau zu überwachen. Eine große Diskrepanz (über 25-30°C) deutet auf ein Problem der thermischen Schnittstelle hin.
- Der letzte Schritt: Repasting und Thermal Pads: Wenn alles andere fehlschlägt und du dich technisch versiert fühlst, kann das Erneuern der Wärmeleitpaste und der Thermal Pads die Lösung sein. Wähle hochwertige Produkte und gehe äußerst vorsichtig vor. Achte auf die korrekten Dicken der Pads und einen gleichmäßigen Anpressdruck beim Zusammenbau. Bedenke, dass dies die Garantie beeinträchtigen kann!
Die RX 6900 XT Red Devil Ultimate ist eine fantastische Grafikkarte, wenn sie richtig kühlt. Meine Geschichte zeigt, dass der „Teufel im Detail” oft in der Fertigungsqualität und dem Zusammenspiel winziger Komponenten liegt. Mit etwas Eigeninitiative konnte ich meine Karte jedoch aus der Hitzefalle befreien und genieße nun die volle Leistung, die ich von ihr erwartet habe. Mögen deine Temperaturen niedriger sein und deine FPS höher!