Ein dumpfer Schlag, ein Klirren, Rauch aus dem Motor und dann Stille – für jeden Simson-Fahrer ist das der absolute Albtraum. Die Diagnose „Loch im Motor“ bei einer geliebten Simson S 50 trifft wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Was nun? Panik ist hier der schlechteste Ratgeber. Dieser umfassende Guide führt dich Schritt für Schritt durch die Schockdiagnose, die Ursachenforschung und zeigt dir detaillierte Wege auf, wie du dein Kultmoped wieder zum Laufen bringst. Wir tauchen tief in die Materie ein, von der ersten Analyse bis zur erfolgreichen Instandsetzung deines Simson Motors.
### Was bedeutet „Loch im Motor” bei einer Simson S 50?
Ein „Loch im Motor“ klingt dramatisch – und das ist es meistens auch. Bei einem Zweitakter wie der Simson S 50 bedeutet dies in der Regel eine schwere Beschädigung des Motorgehäuses, meist hervorgerufen durch ein internes Versagen von Bauteilen. Die häufigsten Szenarien sind:
* **Pleuelstangenriss:** Die Pleuelstange, die den Kolben mit der Kurbelwelle verbindet, bricht. Teile davon schlagen mit immenser Kraft gegen das Motorgehäuse und reißen ein Loch.
* **Kolbenfresser mit Folgen:** Ein schwerer Kolbenfresser kann dazu führen, dass der Kolben zerbricht oder so stark klemmt, dass die Kurbelwelle blockiert und die Pleuelstange überlastet wird, was ebenfalls zu einem Bruch und Gehäuseschaden führen kann.
* **Lager- oder Kurbelwellenschaden:** Ein schwerer Lagerschaden an der Kurbelwelle oder ein Bruch der Kurbelwelle selbst kann ebenfalls dazu führen, dass Teile des Motors unkontrolliert umherschlagen und das Gehäuse durchbrechen.
* **Fremdkörper:** Seltener, aber nicht ausgeschlossen, ist das Eindringen eines Fremdkörpers in das Kurbelgehäuse, der dann von den rotierenden Teilen erfasst und durch das Gehäuse geschleudert wird.
Das Ergebnis ist in jedem Fall ein offenes Motorgehäuse, was nicht nur zum Verlust von Kompression und Öl führt, sondern auch eine komplette Revision des Motors unumgänglich macht.
### Erste Schritte nach der Schockdiagnose
Der Motor macht keinen Mucks mehr, und du entdeckst das verhängnisvolle Loch. Was jetzt?
1. **Ruhe bewahren:** Auch wenn es schwerfällt, Panik hilft nicht weiter. Es ist ein mechanisches Problem, das gelöst werden kann.
2. **Sicherheit geht vor:** Stelle sicher, dass das Moped sicher abgestellt ist und keine weiteren Schäden entstehen können (z.B. durch auslaufendes Öl).
3. **Dokumentation:** Mache Fotos vom Schaden. Das kann später nützlich sein, um den genauen Umfang zu beurteilen oder um Rat in Foren einzuholen.
4. **Keine weiteren Startversuche:** Auch wenn es verlockend ist, zu probieren, ob vielleicht doch noch etwas geht – unterlasse weitere Startversuche. Das könnte den Schaden nur noch verschlimmern.
5. **Transport organisieren:** Bringe deine Simson an einen Ort, wo du in Ruhe den Motor ausbauen und zerlegen kannst, idealerweise eine Werkstatt oder einen gut ausgestatteten Hobbyraum.
### Ursachenforschung: Wie konnte es dazu kommen?
Ein Loch im Motor entsteht selten ohne Vorwarnung. Die Ursachen sind vielfältig und oft auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen:
* **Mangelnde Wartung:** Einer der häufigsten Gründe. Verschlissene Lager, nicht rechtzeitig gewechseltes Getriebeöl oder fehlende Schmierung können zu erhöhtem Verschleiß und schließlich zum Bruch führen.
* **Falsches Mischungsverhältnis:** Die Simson S 50 ist ein Zweitakter und benötigt ein korrektes Benzin-Öl-Gemisch. Ein zu mageres Gemisch (zu wenig Öl) führt zu unzureichender Schmierung des Kolbens, des Zylinders und der Kurbelwelle, was einen Kolbenfresser oder Lagerschaden provoziert. Ein zu fettes Gemisch kann wiederum zu starker Verkokung und Leistungsverlust führen, aber seltener zu einem direkten Loch.
* **Überhitzung:** Langfristige Überhitzung durch eine zu magere Abstimmung, falsche Zündung oder eine verstopfte Auspuffanlage kann die Belastung der internen Bauteile erhöhen und zu Materialermüdung führen.
* **Materialermüdung/Alter:** Auch die robustesten Motoren haben eine begrenzte Lebensdauer. Nach Jahrzehnten und vielen tausend Kilometern können Materialermüdung an der Kurbelwelle oder den Lagern zum Versagen führen.
* **Unsachgemäßes Tuning:** Leistungssteigernde Maßnahmen ohne entsprechende Anpassung der Gemischbildung, Zündung oder verstärkter Bauteile (z.B. stärkere Kurbelwelle) können den Motor an seine Grenzen bringen und zu katastrophalem Versagen führen.
* **Fertigungsfehler:** Selten, aber nicht ausgeschlossen, sind Produktionsfehler bei Ersatzteilen oder am Originalmotor, die nach langer Zeit zutage treten können.
Die genaue Ursachenforschung ist wichtig, um nicht nur den aktuellen Schaden zu beheben, sondern auch sicherzustellen, dass das Problem in Zukunft nicht erneut auftritt.
### Die Schadensanalyse: Wie schlimm ist es wirklich?
Bevor du mit der Reparatur beginnst, muss der Motor ausgebaut und zerlegt werden, um den genauen Umfang des Schadens zu beurteilen.
1. **Motor ausbauen:** Löse alle Kabel, Züge und Schläuche, entferne den Vergaser, den Auspuff und die Zündanlage. Dann demontierst du den Motor aus dem Rahmen.
2. **Motor zerlegen:** Beginne mit dem Zylinderkopf und dem Zylinder. Ziehe den Kolben ab. Öffne dann das Motorgehäuse. Hierzu benötigst du Spezialwerkzeug wie einen Kurbelwellenabzieher und Gehäusespalter. Sei vorsichtig und dokumentiere jeden Schritt, idealerweise mit Fotos.
3. **Bestandsaufnahme:** Untersuche alle Komponenten akribisch:
* **Motorgehäuse:** Wie groß ist das Loch? Sind Risse vorhanden? Sind die Lager- und Dichtflächen intakt? Ist es eine Hälfte oder beide betroffen?
* **Kurbelwelle:** Ist sie gebrochen, verbogen oder haben die Pleuellager Spiel?
* **Kolben und Zylinder:** Sind Kolben und Zylinder Laufbuchse stark beschädigt (Riefen, Bruch)? Ein Kolbenfresser ist hier wahrscheinlich.
* **Getriebe:** Haben die Zahnräder und Wellen sichtbare Schäden? Ist die Schaltgabel verbogen?
* **Lager und Dichtungen:** Sind alle Lager und Wellendichtringe intakt oder massiv beschädigt?
Diese detaillierte Analyse entscheidet über die Wahl der Reparaturmethode und die benötigten Ersatzteile Simson.
### Reparaturmöglichkeiten: Optionen für jeden Geldbeutel und jede Schrauberkompetenz
Je nach Umfang des Schadens und deinem handwerklichen Geschick gibt es verschiedene Wege, deine Simson S 50 wieder flott zu bekommen.
#### 1. Die günstige Variante: Schweißen und Instandsetzen (nur bei kleinen Schäden)
Ist das Loch relativ klein und das Gehäuse ansonsten intakt, könnte Schweißen eine Option sein.
* **Vorteile:** Potenziell kostengünstiger als ein neues Gehäuse.
* **Nachteile:**
* Aluminiumguss ist schwer zu schweißen, besonders wenn er ölgetränkt ist. Der Ölfilm muss restlos entfernt werden, was aufwendig ist.
* Das Schweißen kann Verzug verursachen, der die Passung der Lager oder Gehäusehälften beeinträchtigt.
* Die Stabilität ist nach dem Schweißen oft nicht mehr dieselbe.
* Nur für erfahrene Schweißer mit entsprechender Ausrüstung (WIG-Schweißen) empfehlenswert.
* **Wann sinnvoll?** Nur bei sehr kleinen, unkritischen Löchern, die keine strukturelle Belastung tragen. Oft eher ein kosmetischer Fehler als eine nachhaltige Lösung für einen tatsächlichen Durchbruch.
#### 2. Die pragmatische Lösung: Ersatz-Motorgehäusehälfte
Ist nur eine Gehäusehälfte beschädigt und die andere intakt, kannst du versuchen, eine passende Ersatz-Motorgehäusehälfte zu finden.
* **Vorteile:** Günstiger als ein kompletter neuer Motorblock.
* **Nachteile:**
* Simson-Motorgehäuse werden paarweise gefertigt und gepaart, um eine perfekte Ausrichtung der Kurbelwellenlager zu gewährleisten. Eine einzelne gebrauchte Hälfte kann Passungsprobleme verursachen. Die Lagerbohrungen könnten exzentrisch sein, was zu vorzeitigem Lagerverschleiß oder Kurbelwellenschäden führt.
* Das Finden einer gut erhaltenen, passenden Einzelhälfte kann schwierig sein.
* **Wann sinnvoll?** Wenn du über entsprechende Messwerkzeuge verfügst, um die Lagerbohrungen zu prüfen, oder wenn du bereit bist, das Risiko einzugehen. Eine professionelle Prüfung der Lagerstellen ist hier ratsam.
#### 3. Die umfassende Reparatur: Motor neu aufbauen (Regenerierung)
Dies ist die empfehlenswerteste und gängigste Methode bei einem größeren Motorschaden. Hierbei wird der gesamte Simson Motor regeneriert.
* **Vorteile:** Du erhältst einen Motor, der technisch einem Neuzustand entspricht und zuverlässig läuft. Alle Verschleißteile werden ersetzt.
* **Nachteile:** Zeitaufwendig und erfordert spezielles Werkzeug sowie Fachwissen.
* **Wann sinnvoll?** Fast immer, wenn der Motor einen kapitalen Schaden hat. Selbst wenn nur eine Gehäusehälfte kaputt ist, lohnt sich die Regenerierung des gesamten Motors, da die anderen Bauteile wahrscheinlich auch unter dem Ereignis gelitten haben oder einfach altersbedingt verschlissen sind.
#### 4. Die Komplettlösung: Austauschmotor
Wenn dir die Zeit, das Werkzeug oder das Know-how für eine Regenerierung fehlen, ist der Kauf eines bereits regenerierten Austauschmotors eine gute Alternative.
* **Vorteile:** Einfachste Lösung: alter Motor raus, neuer rein. Du erhältst oft Garantie auf den Austauschmotor.
* **Nachteile:** Höhere Anschaffungskosten.
* **Wann sinnvoll?** Wenn du schnell wieder fahren möchtest, keine Lust auf Schrauben hast oder dir die Reparatur nicht zutraust.
### Der Weg zur Reparatur: Schritt für Schritt (am Beispiel einer Motorregenerierung)
Gehen wir davon aus, du entscheidest dich für die umfassende Regenerierung deines Motors – der Königsdisziplin für jeden Simson-Schrauber.
#### 1. Vorbereitung und Werkzeug
Besorge dir ein Werkstatthandbuch für die Simson S 50, einen sauberen Arbeitsplatz und das nötige Spezialwerkzeug: Kurbelwellenabzieher, Gehäusespalter, Kupplungshaltevorrichtung, Montagedorne für Lager und Wellendichtringe, Drehmomentschlüssel, Heißluftföhn oder kleinen Brenner.
#### 2. Demontage des Motors
Wie bereits erwähnt, Motor ausbauen und zerlegen. Achte darauf, alle Kleinteile zu sortieren und zu beschriften. Dokumentiere mit Fotos.
#### 3. Reinigung und Begutachtung
Reinige alle Teile gründlich von Ölresten, Ruß und Metallspänen. Eine industrielle Reinigung ist ideal, aber auch ein Teilewaschgerät oder Bremsenreiniger und Bürsten tun es. Begutachte alle verbleibenden Teile erneut auf Risse, Verzug oder ungewöhnlichen Verschleiß. Das intakte Gehäuse muss peinlich genau gereinigt werden.
#### 4. Beschaffung der Ersatzteile
Basierend auf deiner Schadensanalyse und der Entscheidung für eine Regenerierung, benötigst du in der Regel:
* Neues (oder gut erhaltenes gebrauchtes) Motorgehäuse oder eine Hälfte, je nach Schadensbild.
* Neue Kurbelwelle (oft wird eine verstärke Variante empfohlen).
* Neuer Kolben und passender Zylinder (eventuell ein neuer Zylinderkit).
* Alle Motorlager (Kurbelwellenlager, Getriebelager).
* Alle Wellendichtringe und Dichtungen (Dichtsatz).
* Eventuell neue Kupplungslamellen und Federn.
* Eventuell neue Getriebeteile (Zahnräder, Schaltwalze, Schaltgabel).
Setze ausschließlich auf Qualitätsersatzteile von renommierten Händlern. Billigteile rächen sich später!
#### 5. Montage des Motors
Dies ist der anspruchsvollste Teil und erfordert höchste Präzision:
* **Lager einsetzen:** Erwärme die Gehäusehälften vorsichtig (Heißluftföhn), um die Lagerbohrungen auszudehnen. Kühle die Lager im Gefrierfach. So lassen sie sich leichter und ohne Beschädigung einsetzen. Verwende Montagedorne.
* **Kurbelwelle einziehen:** Mithilfe des Kurbelwellenabziehers wird die Kurbelwelle vorsichtig und gleichmäßig in die Lager gezogen. Niemals mit dem Hammer einschlagen!
* **Motorgehäuse schließen:** Dichtflächen reinigen und mit Dichtmasse versehen (dünn und sparsam). Die Gehäusehälften vorsichtig zusammenfügen und die Schrauben über Kreuz mit dem vorgeschriebenen Drehmoment anziehen.
* **Getriebe montieren:** Das Getriebe korrekt zusammenbauen und die Schaltmechanik prüfen.
* **Kolben und Zylinder:** Kolben mit neuen Kolbenringen montieren, dabei die Kolbenringstoß-Aussparungen beachten. Zylinder und Zylinderkopf montieren.
* **Restliche Anbauteile:** Kupplung, Zündung, Vergaser etc. wieder anbringen.
Achte während des gesamten Prozesses auf Sauberkeit und korrekte Drehmomente. Jede Ungenauigkeit kann die Lebensdauer des Motors drastisch verkürzen.
#### 6. Einfahren des Motors
Ein frisch regenerierter Motor muss sorgfältig eingefahren werden. Die ersten 500-1000 km sind entscheidend für seine Lebensdauer:
* **Höherer Ölanteil:** Fahre die ersten Tankfüllungen mit einem etwas fetteren Gemisch (z.B. 1:33 statt 1:50).
* **Drehzahl begrenzen:** Meide hohe Drehzahlen und Vollgasfahrten. Fahre vorausschauend und mit wechselnden Drehzahlen.
* **Regelmäßige Kontrolle:** Überprüfe Ölstand, Zündkerzenbild und Motorgeräusche.
### Was kostet der Spaß? Eine grobe Kostenübersicht
Die Kosten für die Reparatur eines Simson-Motors mit Loch können stark variieren, je nach Schadensumfang und gewählter Methode:
* **Schweißen (lassen):** 50-200 € (nur für die Schweißarbeit, exkl. anderer Teile).
* **Ersatz-Motorgehäusehälfte (gebraucht):** 50-150 € (Risiko beachten!).
* **Motor regenerieren (Teilekosten):**
* Kurbelwelle: 80-200 €
* Lagersatz & Dichtsatz: 30-80 €
* Zylinderkit (Kolben & Zylinder): 100-300 € (je nach Qualität und Ausführung)
* Eventuell Getriebeteile: 50-200 €
* **Gesamt Teile:** 260-780 € (oder mehr bei weiteren Schäden).
* **Austauschmotor (regeneriert):** 400-800 € (fertig zum Einbau, oft mit Altteilpfand).
* **Werkstattkosten:** Wenn du den Motor nicht selbst reparierst, kommen noch die Arbeitsstunden einer Fachwerkstatt hinzu, die je nach Aufwand mehrere hundert Euro betragen können.
Plane immer ein Puffer für unvorhergesehene Ausgaben ein.
### Vermeidung zukünftiger Motorschäden: Vorbeugung ist alles
Ein Loch im Motor ist eine traumatische Erfahrung, die du sicher nicht wiederholen möchtest. Mit diesen Maßnahmen minimierst du das Risiko:
* **Korrekte Gemischaufbereitung:** Achte peinlich genau auf das richtige Mischungsverhältnis (Simson S 50 meist 1:50, beim Einfahren 1:33). Verwende hochwertiges Zweitaktöl.
* **Regelmäßige Wartung:** Wechsle das Getriebeöl gemäß Wartungsplan. Prüfe regelmäßig Zündkerze, Luftfilter und die korrekte Funktion der Zündung.
* **Qualitätsersatzteile:** Spare nicht an wichtigen Motorteilen. Eine hochwertige Kurbelwelle und gute Lager sind die Lebensversicherung deines Motors.
* **Keine übertriebenen Tuning-Experimente:** Wenn du tunst, dann mit Verstand und passender Abstimmung (Vergaser, Zündung, Auspuff). Informiere dich gründlich und überfordere den Motor nicht.
* **Motorgeräusche beachten:** Höre auf deinen Motor. Ungewöhnliche Geräusche wie Klappern, Rasseln oder Klingeln sind Warnsignale, die sofortiger Aufmerksamkeit bedürfen.
* **Kontrolle der Simmerringe:** Defekte Wellendichtringe (Simmerringe) können zu Falschluft und damit zu einem mageren Gemisch führen, was einen Kolbenfresser provozieren kann.
### Fazit
Die Diagnose „Loch im Motor” bei deiner Simson S 50 ist ein herber Schlag, aber kein Todesurteil. Mit der richtigen Herangehensweise, Geduld und den passenden Simson Ersatzteilen kannst du deinen geliebten Zweitakter wieder auf die Straße bringen. Es ist eine Gelegenheit, deinen Motor von Grund auf zu verstehen und ihm ein zweites Leben zu schenken. Ob du selbst schraubst oder die Arbeit einem Profi überlässt – die Freude, wenn deine Simson wieder zuverlässig knattert, ist unbezahlbar. Pack es an und rette dein Kultmoped!