**Einleitung: Das allgegenwärtige Parkdilemma**
Jeder kennt die Situation: Man fährt durch eine dicht besiedelte Straße, sucht verzweifelt einen Parkplatz, und plötzlich bietet sich eine Lücke – halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg. Eine schnelle Entscheidung ist gefragt. Man parkt ein, in der Hoffnung, niemanden zu stören und keinen Ärger zu bekommen. Doch ist dieses „halbseitige Parken“ auf dem Gehweg in Deutschland überhaupt erlaubt? Oder riskiert man damit ein saftiges **Bußgeld** und vielleicht sogar das Abschleppen des geliebten Fahrzeugs? Diese Frage beschäftigt nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger, die sich oft durch abgestellte Fahrzeuge blockiert fühlen. In diesem umfassenden Artikel tauchen wir tief in die Materie ein, beleuchten die rechtliche Lage, die Gründe für die Bestimmungen und die möglichen Konsequenzen.
**Die klare Rechtslage: Gehwege sind für Fußgänger – Punkt!**
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist in Deutschland das Maß aller Dinge, wenn es um den Verkehr geht. Und sie ist in Bezug auf das Parken auf Gehwegen erstaunlich klar. Der zentrale Paragraph hierfür ist § 12 Absatz 4 der StVO, der besagt: „Zum Parken ist der rechte Seitenstreifen, dazu gehören auch befestigte Seitenstreifen, zu benutzen, wenn er dazu ausreichend befestigt ist; sonst ist auf der Fahrbahn am rechten Fahrbahnrand zu parken. Das gilt auch für Halteverbote und Parkverbote.“ Absatz 4a ergänzt explizit: „Ist das Parken auf dem Gehweg erlaubt, so darf nur auf besonders gekennzeichneten Flächen geparkt werden.“
Was bedeutet das im Klartext? Ganz einfach: Grundsätzlich ist das **Parken auf Gehwegen** – sei es ganz oder nur teilweise – in Deutschland **verboten**. Gehwege sind, wie ihr Name schon sagt, für Fußgänger gedacht. Sie dienen der Sicherheit und der ungestörten Fortbewegung von Menschen zu Fuß. Ein Fahrzeug, das auch nur mit einem Rad auf dem Gehweg steht, verstößt bereits gegen diese Grundregel, es sei denn, es gibt eine ausdrückliche Erlaubnis.
**Die Ausnahme bestätigt die Regel: Wann ist halbseitiges Parken auf dem Gehweg doch erlaubt?**
Wie so oft gibt es auch hier eine Ausnahme, die allerdings genau definiert ist. Das halbseitige Parken auf dem Gehweg ist nur dann gestattet, wenn es durch ein spezielles Verkehrszeichen explizit erlaubt wird. Dieses Zeichen ist das **Verkehrszeichen 315**, das ein Piktogramm eines Fahrzeugs zeigt, das je nach Ausführung ganz oder teilweise auf dem Gehweg steht.
Das Zeichen 315 gibt es in verschiedenen Varianten:
* Ein Fahrzeug, das komplett auf dem Gehweg parkt.
* Ein Fahrzeug, das halb auf dem Gehweg und halb auf der Fahrbahn parkt (oft die gesuchte Form).
* Ein Fahrzeug, das parallel zum Gehweg steht, aber ebenfalls halb auf ihm.
Finden Sie dieses Zeichen 315 nicht vor, so ist das Parken auf dem Gehweg – egal ob ganz oder teilweise – **nicht erlaubt**. Es gibt keine „stillschweigende Duldung” oder „Gewohnheitsrecht”, das ein solches Parken rechtfertigt. Das Fehlen eines Verbotschildes bedeutet nicht automatisch eine Erlaubnis. Vielmehr ist das grundsätzliche Verbot des Parkens auf Gehwegen bereits durch die StVO selbst festgeschrieben.
Manchmal gibt es in älteren Stadtgebieten auch noch spezielle Bodenmarkierungen, die ein halbseitiges Parken anzeigen können. Diese sind jedoch seltener geworden und werden bei Neuplanungen oder Umgestaltungen von Straßenräumen meist durch das Zeichen 315 ersetzt oder ganz aufgehoben.
**Warum ist das so wichtig? Sicherheit, Barrierefreiheit und Schutz der Infrastruktur**
Die strikte Regelung zum Parken auf Gehwegen hat triftige Gründe, die weit über die reine Ordnung hinausgehen. Es geht um die **Sicherheit**, die **Barrierefreiheit** und den Schutz der städtischen Infrastruktur.
1. **Sicherheit für Fußgänger:** Gehwege sind sichere Räume für Menschen, die zu Fuß unterwegs sind. Kinder, ältere Menschen, Personen mit Kinderwagen oder Rollatoren müssen sich darauf verlassen können, dass der Weg frei ist. Ein auf dem Gehweg parkendes Auto zwingt Fußgänger oft, auf die Fahrbahn auszuweichen. Dies ist extrem gefährlich, insbesondere an unübersichtlichen Stellen, Kurven oder bei schlechten Sichtverhältnissen. Für Kinder, die noch nicht die volle Verkehrskompetenz besitzen, ist dies eine unkalkulierbare Gefahr.
2. **Barrierefreiheit und Bewegungsfreiheit:** Besonders Menschen mit körperlichen Einschränkungen, Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Zwillingskinderwagen sind auf eine ausreichende Gehwegbreite angewiesen. Die StVO verlangt eine Mindestbreite von 1,50 Metern für den freien Durchgang. Ein Fahrzeug, das auf dem Gehweg parkt, kann diese Breite massiv einschränken oder sogar komplett blockieren. Eine Behinderung in diesem Sinne kann bereits vorliegen, wenn der Gehweg nicht mehr mit einem Rollstuhl oder Kinderwagen befahren werden kann, ohne in den Grünstreifen oder auf die Fahrbahn ausweichen zu müssen. Dies ist nicht nur eine Unannehmlichkeit, sondern eine massive Einschränkung der Teilhabe am öffentlichen Leben.
3. **Schutz der Infrastruktur:** Gehwege sind nicht für das Gewicht von Fahrzeugen ausgelegt. Bordsteine, Gehwegplatten und unterirdische Leitungen (Strom, Wasser, Gas, Telekommunikation) können durch das regelmäßige Befahren und Parken von Autos beschädigt werden. Die Reparaturkosten dafür sind immens und werden letztlich von der Allgemeinheit getragen. Auch Bäume am Gehwegrand können durch das Befahren ihres Wurzelbereichs erheblichen Schaden nehmen.
4. **Klarheit und Ordnung:** Eine klare Regelung vermeidet Chaos und Willkür. Wenn jeder selbst entscheiden würde, wo er halb auf dem Gehweg parkt, wäre die Übersicht schnell dahin und die Nutzung des öffentlichen Raumes würde für alle erschwert.
**Was droht bei Zuwiderhandlung? Bußgelder, Punkte und das Abschleppen**
Wer sich nicht an die Regeln hält und sein Fahrzeug unzulässigerweise auf dem Gehweg abstellt, muss mit Konsequenzen rechnen. Und diese können seit der Novelle der StVO im Jahr 2020 empfindlicher ausfallen als zuvor.
Ein „einfaches” **verbotswidriges Parken auf dem Gehweg** kostet in der Regel:
* **55 Euro Bußgeld.**
Die Lage verschärft sich jedoch, wenn durch das Parken eine **Behinderung** oder **Gefährdung** entsteht:
* Bei Behinderung: **70 Euro Bußgeld** und 1 Punkt in Flensburg (Achtung, die Punkte für Parkverstöße sind selten, aber hier möglich!).
* Bei Gefährdung: **80 Euro Bußgeld** und 1 Punkt in Flensburg.
* Parken länger als 3 Stunden: **85 Euro Bußgeld** und 1 Punkt in Flensburg.
* Parken länger als 3 Stunden mit Behinderung: **100 Euro Bußgeld** und 1 Punkt in Flensburg.
Die genauen Zahlen können je nach Bundesland leicht variieren, aber dies sind die allgemeinen Richtwerte aus dem aktuellen bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog.
**Das Abschleppen: Der ultimative Albtraum**
Noch teurer und ärgerlicher als ein Bußgeld kann das **Abschleppen** des Fahrzeugs werden. Ein Fahrzeug darf abgeschleppt werden, wenn es den Verkehr behindert oder eine Gefahr darstellt. Auf Gehwegen ist dies schnell der Fall, insbesondere wenn die Restbreite von 1,50 Metern unterschritten wird oder der Gehweg komplett blockiert ist.
Die Kosten für das Abschleppen setzen sich zusammen aus:
* Den tatsächlichen Abschleppkosten (je nach Ort und Wochentag/Uhrzeit stark variierend, typischerweise zwischen 150 und 300 Euro, in manchen Großstädten auch deutlich mehr).
* Verwaltungsgebühren (zwischen 30 und 100 Euro).
* Ggf. Standgebühren, wenn das Fahrzeug nicht sofort abgeholt wird.
* Zusätzlich kommt natürlich das ursprüngliche Bußgeld für den Parkverstoß hinzu.
Insgesamt können sich die Kosten für einen solchen Parkverstoß schnell auf **mehrere Hundert Euro** summieren. Ein vermeintlich kurzer Halt kann so zu einem sehr teuren Vergnügen werden.
**Die Krux mit der „Duldung”: Mythen und Realität**
Oft hört man Argumente wie: „Hier haben doch schon immer alle so geparkt”, „Die Anwohner machen das auch so”, oder „Es stört doch niemanden”. Dies führt zum Trugschluss der „Duldung”. Es stimmt, dass in einigen Städten oder Stadtteilen das halbseitige Parken auf dem Gehweg jahrelang nicht konsequent geahndet wurde. Dies ist jedoch keine rechtliche Duldung im Sinne einer Erlaubnis, sondern lediglich eine Prioritätensetzung der Ordnungsbehörden oder eine personelle Unterbesetzung.
Die **StVO** gilt bundesweit und kennt keine „Duldung” im Sinne einer Legalisierung eines Verstoßes. Eine Nicht-Ahndung in der Vergangenheit bedeutet nicht, dass es morgen nicht doch ein Knöllchen oder die Abschleppaktion geben kann. Tatsächlich wird die Einhaltung der Parkvorschriften auf Gehwegen vielerorts wieder strenger kontrolliert, auch aufgrund des gestiegenen Bewusstseins für Fußgängerschutz und Barrierefreiheit. Die Gerichte bestätigen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, selbst wenn über lange Zeit nicht eingegriffen wurde.
**Die Novelle 2020: Eine Verschärfung der Regeln**
Die **StVO-Novelle 2020** hat die Bußgelder für diverse Vergehen, darunter auch für das Parken auf Gehwegen, deutlich erhöht. Dies war ein klares Signal des Gesetzgebers, dass die Sicherheit und der Schutz von Fußgängern und Radfahrern einen höheren Stellenwert einräumen sollen. Ziel war es, die Verkehrssicherheit zu verbessern und Fehlverhalten im Straßenverkehr effektiver zu sanktionieren. Daher sollten Autofahrer diese Regeln ernst nehmen und nicht auf eine vermeintliche Kulanz der Behörden hoffen.
**Ein Appell an die Vernunft: Tipps für Autofahrer**
Was können Sie als Autofahrer tun, um Ärger und Kosten zu vermeiden?
1. **Achten Sie auf das Verkehrszeichen 315:** Nur wenn dieses Zeichen explizit das halbseitige Parken auf dem Gehweg erlaubt, dürfen Sie es tun. Andere Zeichen oder Markierungen sind hierfür nicht ausreichend, es sei denn, sie sind von der zuständigen Behörde explizit als Parkflächen freigegeben.
2. **Suchen Sie nach Alternativen:** Wenn Sie unsicher sind oder kein Zeichen 315 sehen, suchen Sie lieber einen regulären Parkplatz auf der Fahrbahn, in einem Parkhaus oder auf einem ausgewiesenen Parkplatz.
3. **Denken Sie an die Mindestbreite:** Selbst dort, wo das Parken auf dem Gehweg erlaubt ist, müssen Sie immer eine Restbreite von mindestens 1,50 Metern für Fußgänger freihalten. Dies ist besonders wichtig für Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen und Menschen mit Rollatoren.
4. **Empathie zeigen:** Versetzen Sie sich in die Lage eines Fußgängers, der auf einen schmalen Gehweg ausweichen oder sogar auf die Fahrbahn treten muss, um Ihr Fahrzeug zu umgehen. Das Parken auf dem Gehweg kann für andere Verkehrsteilnehmer eine echte Belästigung und Gefahr darstellen.
5. **Parken auf dem Fahrbahnrand:** Wenn kein Gehweg vorhanden ist oder dieser nicht genutzt werden darf, parken Sie stets auf der Fahrbahn, so nah wie möglich am rechten Fahrbahnrand, ohne den fließenden Verkehr zu behindern.
**Fazit: Eine Frage des Respekts und der Sicherheit**
Das halbseitige Parken auf dem Gehweg mag auf den ersten Blick wie eine praktische Lösung für die Parkplatznot in Städten erscheinen. Doch die rechtliche Lage ist eindeutig: Ohne ausdrückliche Erlaubnis durch das **Verkehrszeichen 315** ist es schlichtweg verboten. Die Gründe dafür sind vielfältig und von großer Bedeutung: die **Sicherheit der Fußgänger**, insbesondere der Schwächsten unter ihnen, die **Barrierefreiheit** für Menschen mit Einschränkungen und der Schutz unserer städtischen Infrastruktur.
Die erhöhten Bußgelder und die reelle Gefahr des Abschleppens sollten jeden Autofahrer dazu bewegen, die Parkvorschriften ernst zu nehmen. Es ist nicht nur eine Frage des Gesetzes, sondern auch eine Frage des gegenseitigen Respekts und der Rücksichtnahme im öffentlichen Raum. Bevor Sie also das nächste Mal Ihr Fahrzeug halb auf dem Gehweg abstellen, fragen Sie sich: Ist es hier wirklich erlaubt? Oder ist es das Risiko nicht wert, andere zu behindern und am Ende eine teure Überraschung am Scheibenwischer vorzufinden? Ein bewusster Umgang mit dem Parkraum trägt dazu bei, dass unsere Städte sicherer und lebenswerter für alle bleiben. Denken Sie daran: Ein freier Gehweg ist ein Stück Lebensqualität.