Der Markt für Premium-Pickups hat in den letzten Jahren eine faszinierende Entwicklung durchgemacht. Was einst als reines Nutzfahrzeug begann, entwickelte sich zu einem Statussymbol, einem vielseitigen Alltagsbegleiter und einem luxuriösen Freizeitfahrzeug zugleich. Zwei Modelle, die in diesem Segment besonders hervorstechen und die Gemüter immer wieder erhitzen, sind die Mercedes X-Klasse und der VW Amarok. Beide versprachen eine Mischung aus Robustheit, Geländetauglichkeit und einem Hauch von Luxus, wie man es von ihren jeweiligen Marken kennt.
Doch die spannende Frage, die sich viele Kaufinteressenten stellen, ist: Welches dieser beiden Fahrzeuge ist in der Anschaffung, sprich beim Kauf, tatsächlich günstiger? Eine scheinbar einfache Frage, deren Antwort jedoch vielschichtiger ist, als man zunächst annehmen könnte. Vor allem, da die Mercedes X-Klasse seit 2020 nicht mehr produziert wird und somit nur noch auf dem Gebrauchtwagenmarkt erhältlich ist, während der VW Amarok (wenn auch in neuer Generation und auf neuer Basis) eine längere Historie und Präsenz hat.
Der Aufstieg der Premium-Pickups: Ein kurzer Rückblick
Pickups waren lange Zeit in Europa ein Nischenprodukt, primär für Handwerker, Landwirte oder Förster. In den USA hingegen sind sie seit Jahrzehnten die meistverkauften Fahrzeuge. Mit der Zeit begannen auch europäische Hersteller, das Potenzial für eine gehobene, lifestyle-orientierte Klientel zu erkennen. Kunden suchten nach Fahrzeugen, die sowohl den harten Arbeitseinsatz als auch den Familienausflug am Wochenende meistern konnten, und dabei nicht auf Komfort und Prestige verzichten wollten.
In diese Lücke stießen der VW Amarok und später die Mercedes X-Klasse. Sie versprachen nicht nur Ladefläche und Anhängelast, sondern auch eine hochwertige Innenausstattung, fortschrittliche Technologien und ein markentypisches Fahrerlebnis. Der Amarok, 2010 eingeführt, war ein Pionier in diesem Segment für VW und konnte sich schnell etablieren. Die X-Klasse, 2017 als „erster Premium-Pickup eines deutschen Herstellers” beworben, zielte noch höher – auf das Luxussegment der Pickups.
Die Mercedes X-Klasse: Ein Luxus-Experiment mit kurzem Gastspiel
Die Mercedes X-Klasse basierte auf dem Nissan Navara (D23), was von Anfang an für Diskussionen sorgte. Mercedes-Benz betonte jedoch die umfangreichen Modifikationen: ein verstärkter Rahmen, eine breitere Spur, eine eigenständige Fahrwerksabstimmung, eine komplett überarbeitete Kabine mit typischem Mercedes-Interieur und natürlich die charakteristische Designsprache der Marke. Das Motorenangebot reichte vom 2,3-Liter-Vierzylinder-Diesel (X 220 d und X 250 d) bis hin zum kraftvollen 3,0-Liter-V6-Diesel (X 350 d), der exklusiv in der X-Klasse zum Einsatz kam.
Ziel war es, den Komfort und die Qualität einer Mercedes-Limousine in einem Pickup-Format zu bieten. Und in vielerlei Hinsicht gelang dies auch. Die X-Klasse bot eine beeindruckende Laufruhe, eine hochwertige Anmutung im Innenraum und ein souveränes Fahrgefühl, besonders mit dem V6-Motor. Der Markt reagierte jedoch verhaltener als erwartet, und nach nur drei Jahren und etwa 40.000 verkauften Einheiten wurde die Produktion Anfang 2020 eingestellt. Dies hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf ihren Gebrauchtwagenwert.
Der VW Amarok: Der robuste Allrounder mit V6-Power
Der VW Amarok, dessen erste Generation bis 2022 produziert wurde (die neue Generation basiert auf dem Ford Ranger), ist ein Eigengewächs von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Er wurde von Grund auf als Pickup konzipiert und sollte sowohl ein Arbeitstier als auch ein komfortabler Reisewagen sein. Von Anfang an setzte der Amarok auf eine robuste Bauweise, eine hohe Anhängelast und eine gute Geländegängigkeit. Besonders populär wurde er mit der Einführung des 3,0-Liter-V6-TDI-Motors im Jahr 2016, der in verschiedenen Leistungsstufen bis zu 258 PS bot und den Amarok zum stärksten Pickup seiner Klasse machte.
Der Amarok punktete mit einem geräumigen und funktionalen Innenraum, einer soliden Verarbeitung und einem für einen Pickup erstaunlich agilen Fahrverhalten. Er galt als zuverlässig und wertstabil, was ihm eine loyale Fangemeinde einbrachte. Seine Langlebigkeit und seine Fähigkeit, sowohl im harten Baustellenalltag als auch als Familienauto zu überzeugen, trugen maßgeblich zu seinem Erfolg bei.
Der Preis-Check: Neu vs. Gebraucht – Wer war/ist günstiger in der Anschaffung?
Um die Frage nach dem Anschaffungspreis zu beantworten, müssen wir zwischen dem ehemaligen Neupreis und dem aktuellen Gebrauchtwagenmarkt unterscheiden.
Ehemaliger Neupreis (als beide Modelle noch parallel erhältlich waren)
Als die Mercedes X-Klasse auf den Markt kam, positionierte sie sich preislich klar über dem VW Amarok. Die Einstiegspreise lagen in Deutschland für die X-Klasse bei rund 37.000 bis 38.000 Euro (X 220 d Pure). Für die Topmodelle mit V6-Motor und umfangreicher Ausstattung konnten die Preise schnell die 50.000-Euro-Marke überschreiten und bis an die 60.000 Euro heranreichen.
Der VW Amarok war zwar ebenfalls kein Schnäppchen, startete aber meist unterhalb der X-Klasse. Ein Amarok mit Basisausstattung und Vierzylinder-Motor war oft schon für etwa 30.000 bis 32.000 Euro erhältlich. Auch hier trieben der leistungsstarke V6-Motor und höhere Ausstattungslinien den Preis nach oben, aber selbst die Topmodelle des Amarok (z.B. Aventura oder Canyon) blieben in der Regel einige Tausend Euro unter den vergleichbar ausgestatteten X-Klasse-Modellen mit V6. Der Preisunterschied konnte neu, je nach Ausstattung und Motorisierung, durchaus 5.000 bis 10.000 Euro oder mehr betragen.
Fazit Neupreis: Die Mercedes X-Klasse war in der Anschaffung als Neuwagen stets teurer als der VW Amarok.
Der aktuelle Gebrauchtwagenmarkt: Hier wird es spannend
Die Einstellung der Produktion der X-Klasse hatte einen deutlichen Einfluss auf ihren Wertverlauf. Typischerweise führt ein so schnelles Ende eines Modells zu einem stärkeren Wertverlust als bei Modellen, die über Jahre kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dies macht die X-Klasse auf dem Gebrauchtwagenmarkt potenziell attraktiver für Käufer, die ein Premium-Fahrzeug zu einem günstigeren Preis suchen.
Gebrauchte Mercedes X-Klasse
- Preisspanne: Eine gebrauchte Mercedes X-Klasse ist heute, je nach Alter, Laufleistung, Motorisierung und Ausstattung, bereits ab etwa 20.000 Euro zu finden. Für gut erhaltene Modelle mit dem beliebten V6-Diesel und einer Top-Ausstattung (Power oder Progressive) können die Preise bis zu 35.000 bis 45.000 Euro reichen, für sehr junge Exemplare sogar noch darüber.
- Vierzylinder (X 220 d, X 250 d): Diese Modelle sind in der Regel die günstigsten in der Anschaffung. Exemplare mit hoher Laufleistung (über 150.000 km) und älteren Baujahren (2017/2018) können wie erwähnt um die 20.000 bis 25.000 Euro liegen.
- V6 (X 350 d): Die begehrten V6-Modelle sind aufgrund ihrer Leistung und Exklusivität teurer. Sie starten selten unter 28.000 bis 30.000 Euro, selbst mit höherer Laufleistung, und können für gepflegte Exemplare unter 100.000 km Laufleistung leicht 35.000 bis 45.000 Euro erreichen.
- Ausstattung und Zustand: Eine umfangreiche Ausstattung (Leder, Navigationssystem, 360-Grad-Kamera etc.) und ein sehr guter Pflegezustand treiben den Preis natürlich nach oben.
Gebrauchter VW Amarok (erste Generation)
- Preisspanne: Der VW Amarok der ersten Generation ist ebenfalls breit gefächert. Ältere Modelle (vor 2016, also vor dem V6) mit Vierzylinder-Motoren und hoher Laufleistung können schon ab 15.000 Euro erhältlich sein. Die beliebten V6-Modelle starten in der Regel bei 25.000 bis 30.000 Euro für frühere Baujahre mit höherer Laufleistung. Für gut ausgestattete V6-Modelle der letzten Baujahre (2020-2022) mit geringer Laufleistung muss man schnell 40.000 bis 50.000 Euro einplanen, teilweise sogar mehr.
- Vierzylinder (2.0 BiTDI): Die älteren 2.0 BiTDI-Motoren sind am günstigsten. Für Modelle mit Baujahr 2010-2015 und Laufleistungen über 150.000 km finden sich Angebote im Bereich von 15.000 bis 25.000 Euro.
- V6 (3.0 TDI): Der V6-Amarok ist aufgrund seiner Leistung und Beliebtheit sehr wertstabil. Selbst Modelle von 2016/2017 mit über 100.000 km halten sich gut im Preis (oft über 25.000 Euro). Neuere V6-Modelle mit Top-Ausstattung und geringer Laufleistung (unter 50.000 km) können leicht 40.000 bis 55.000 Euro kosten.
- Ausstattung und Zustand: Ähnlich wie bei der X-Klasse beeinflussen Ausstattung (Aventura, Canyon, Highline) und Zustand den Preis erheblich. Ein Amarok ist aber auch als Arbeitstier beliebt, daher gibt es viele Exemplare mit deutlichen Gebrauchsspuren, die dann entsprechend günstiger sind.
Direkter Vergleich der Gebrauchtwagenpreise
Betrachtet man den Gebrauchtwagenmarkt heute, lässt sich festhalten:
In den unteren Preissegmenten, insbesondere für Modelle mit Vierzylinder-Motoren und höherer Laufleistung, kann die Mercedes X-Klasse tatsächlich günstiger in der Anschaffung sein als ein vergleichbarer VW Amarok. Der stärkere Wertverlust der X-Klasse, bedingt durch ihre kurze Produktionszeit und das Ende der Baureihe, spielt hier eine große Rolle. Man bekommt hier „mehr Mercedes fürs Geld”.
Sobald man jedoch in den Bereich der V6-Motoren und besserer Ausstattung kommt, verschiebt sich das Bild. Ein gut erhaltener Amarok V6, insbesondere aus den letzten Baujahren der ersten Generation, ist extrem wertstabil und kann preislich oft mit oder sogar über den vergleichbaren X-Klasse V6-Modellen liegen. Die hohe Nachfrage nach dem V6-Amarok und sein Ruf als robuster, langlebiger Pickup tragen dazu bei, dass er seinen Wert besser hält.
Fazit Gebrauchtwagenmarkt: Für den Einstieg und bei Vierzylinder-Modellen kann die Mercedes X-Klasse aktuell die günstigere Wahl in der Anschaffung sein. Im Segment der leistungsstarken V6-Modelle und bei neueren Fahrzeugen ist der VW Amarok oft teurer oder mindestens auf Augenhöhe mit der X-Klasse.
Faktoren, die den Preis beeinflussen
Neben der reinen Marke und Modellreihe spielen weitere Faktoren eine entscheidende Rolle für den Anschaffungspreis:
- Motorisierung: V6-Modelle sind bei beiden Herstellern begehrter und somit teurer als Vierzylinder.
- Ausstattungslinie: Basismodelle (z.B. X-Klasse Pure, Amarok Base/Trendline) sind deutlich günstiger als Top-Ausstattungen (X-Klasse Power, Amarok Aventura/Highline).
- Laufleistung: Je höher die Kilometerzahl, desto geringer der Preis. Pickups werden oft hart eingesetzt, daher ist der Zustand wichtiger als bei einem reinen Pkw.
- Alter/Baujahr: Jüngere Fahrzeuge sind teurer.
- Zustand & Pflege: Ein scheckheftgepflegtes Fahrzeug aus erster Hand mit geringen Gebrauchsspuren erzielt einen höheren Preis. Schäden, Rost oder Wartungsstau drücken den Preis erheblich.
- Zusatzausstattung: Hardtops, Laderaumabdeckungen, Seilwinden, spezielle Offroad-Reifen etc. können den Wert beeinflussen.
- Verkäufer: Händlerfahrzeuge sind oft teurer als Privatverkäufe, bieten aber meist Garantie oder Gewährleistung.
Über den reinen Anschaffungspreis hinaus: Ein kurzer Ausblick
Auch wenn der Fokus dieses Artikels auf dem Anschaffungspreis liegt, sollte man bei der Kaufentscheidung die Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO) nicht außer Acht lassen. Wartung, Ersatzteile, Versicherung und Kraftstoffverbrauch können langfristig einen großen Unterschied machen.
- Wartung & Ersatzteile: Mercedes-Teile können generell teurer sein als VW-Teile. Die spezielle Mercedes-Technik in der X-Klasse (z.B. der V6-Motor) könnte bei Reparaturen höhere Kosten verursachen. Die Nissan-Basis der X-Klasse kann hier aber auch Vorteile bieten, da viele Gleichteile günstiger sind.
- Kraftstoffverbrauch: Die leistungsstarken V6-Diesel beider Modelle haben einen entsprechenden Verbrauch, der je nach Fahrweise stark variiert (oft 9-12 Liter/100 km).
- Versicherung & Steuern: Hier gibt es meist keine großen Unterschiede, da beide Fahrzeuge in ähnliche Typklassen fallen.
Fazit: Welcher Pickup ist in der Anschaffung günstiger?
Die Antwort auf die Frage, welcher der beiden Premium-Pickups in der Anschaffung günstiger ist, hängt stark vom gewünschten Modell, der Motorisierung und dem Zustand ab:
Wenn Sie einen Premium-Pickup zum möglichst günstigen Einstiegspreis suchen und bereit sind, einen Vierzylinder-Motor in Kauf zu nehmen, dann kann die Mercedes X-Klasse die günstigere Wahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt sein. Ihr schneller Wertverlust hat dazu geführt, dass sie im Vergleich zum Amarok im unteren und mittleren Preissegment oft attraktiver gepreist ist.
Suchen Sie hingegen die maximale Leistung und Wertstabilität, insbesondere in Form eines V6-Diesels mit guter Ausstattung, dann ist der VW Amarok (erste Generation) oft teurer und hält seinen Wert besser. Hier zahlen Sie für seine Robustheit, seine Beliebtheit und seinen Ruf als zuverlässiges Arbeitstier und Lifestyle-Fahrzeug.
Unterm Strich bietet die Mercedes X-Klasse eine einmalige Gelegenheit, ein Fahrzeug mit Mercedes-Stern und Premium-Ambiente zu einem relativ attraktiven Gebrauchtwagenpreis zu erwerben. Der VW Amarok bleibt die sichere Bank in puncto Wertstabilität und Langzeit-Performance. Die Entscheidung hängt letztlich von Ihren Prioritäten und Ihrem Budget ab.