Die Marke MG – einst Inbegriff britischer Sportwagen und einfacher Technik, die fast jeder mit ein paar Schraubenschlüsseln selbst reparieren konnte – feiert seit einigen Jahren unter chinesischer Flagge ein beachtliches Comeback. Mit einer breiten Palette an Verbrennern, Hybriden und vor allem Elektrofahrzeugen hat sich MG schnell einen Namen als Anbieter preisgünstiger und attraktiver Modelle gemacht. Doch mit der modernen Technik stellt sich für viele langjährige Fans und neue Interessenten die zentrale Frage: Sind die modernen MG-Modelle überhaupt noch schrauberfreundlich, oder sind sie zu komplexen Blackboxes geworden, die nur die Vertragswerkstatt versteht? Wir nehmen die neuen MGs auf den Prüfstand und teilen Erfahrungen, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Der Mythos der alten MG-Schrauberfreundlichkeit vs. die neue Realität
Wer an klassische MG-Modelle wie den MGB oder Midget denkt, hat sofort das Bild eines offenen Motorraums vor Augen, in dem jedes Bauteil gut erreichbar ist. Ein Ölwechsel, der Austausch einer Zündkerze oder selbst komplexere Reparaturen waren oft mit grundlegenden Werkzeugen und etwas technischem Geschick zu bewerkstelligen. Dies prägte das Image von MG als Marke für DIY-Enthusiasten und Bastler. Mit dem Relaunch der Marke ist jedoch eine neue Ära angebrochen. Die Modelle wie der MG ZS, MG HS, MG EHS Plug-in Hybrid und vor allem die vollelektrischen MG ZS EV und MG4 Electric sind moderne Fahrzeuge, die auf globalen Plattformen entwickelt wurden und den aktuellen technischen Standards entsprechen. Das bedeutet: Integration, Vernetzung, Elektronik und oft auch deutlich komplexere Antriebe. Diese Entwicklung ist nicht spezifisch für MG, sondern ein allgemeiner Trend in der Automobilindustrie. Doch wie wirkt sich das konkret auf die Wartungsfreundlichkeit aus?
Zugänglichkeit für einfache Wartungsarbeiten: Der erste Eindruck zählt
Beginnen wir mit den grundlegenden Arbeiten, die viele Autobesitzer gerne selbst erledigen: Ölwechsel, Filtertausch, Bremsen prüfen. Bei den Verbrenner- und Hybridmodellen wie dem MG ZS, HS oder EHS Plug-in Hybrid zeigt sich ein gemischtes Bild. Der Motorraum ist zwar nicht mehr so „offen” wie bei einem Oldtimer, aber essentielle Punkte wie der Ölmessstab, der Öleinfüllstutzen und die Behälter für Kühlwasser und Scheibenwischwasser sind meist gut erreichbar. Der Luftfilterkasten ist oft mit Klammern oder wenigen Schrauben gesichert und lässt sich relativ einfach öffnen. Beim Ölfilter kann es schon kniffliger werden. Je nach Motorisierung und Modell sind sie mal gut zugänglich, mal tief im Aggregat versteckt und erfordern spezielle Werkzeuge oder das Abnehmen von Verkleidungen. Auch der Pollenfilter im Innenraum ist meist mit etwas Verrenken hinter dem Handschuhfach zu finden.
Für Arbeiten am Unterboden, wie das Ablassen des Motoröls oder das Prüfen von Fahrwerkskomponenten, ist eine Hebebühne oder Auffahrrampen unerlässlich. Die Anhebepunkte sind in der Regel klar gekennzeichnet. Die Bremsanlage folgt den gängigen Standards und der Wechsel von Belägen und Scheiben ist für geübte Schrauber grundsätzlich machbar. Allerdings sollte man bei Fahrzeugen mit elektronischer Parkbremse (EPB) wissen, dass diese vor dem Belagwechsel in den Servicemodus versetzt werden muss, was oft ein Diagnosegerät erfordert. Auch der einfache Wechsel von Leuchtmitteln wird immer mehr zur Herausforderung. Viele moderne MGs setzen auf LED-Technik, bei der ein einzelner Glühbirnentausch nicht vorgesehen ist; im Falle eines Defekts muss oft der gesamte Scheinwerfer oder die Rückleuchte getauscht werden, was nicht nur kostspieliger, sondern auch komplexer ist als bei herkömmlichen Halogenlampen.
Elektronik und Diagnose: Der unverzichtbare Helfer (oder Hinderer)
Der wohl größte Unterschied zu den MGs vergangener Tage ist die allgegenwärtige Elektronik. Moderne MGs sind rollende Computer. Ob das Motormanagement, das Infotainmentsystem, die Assistenzsysteme oder die Bremssteuerung – alles ist miteinander vernetzt und wird elektronisch überwacht. Dies hat zur Folge, dass ohne ein geeignetes Diagnosegerät viele Arbeiten gar nicht erst begonnen werden können oder im Nachhinein Probleme verursachen. Ein einfaches Beispiel ist der Batteriewechsel: Viele moderne Fahrzeuge, auch moderne MGs, müssen nach dem Austausch der Starterbatterie über die Diagnoseschnittstelle „angelernt“ werden, damit das Batteriemanagementsystem korrekt funktioniert. Das Zurückstellen der Serviceanzeige erfordert ebenfalls oft ein Diagnosegerät oder eine spezielle Tastenkombination, die nicht immer offensichtlich ist.
Für den Hobbyschrauber bedeutet das eine zusätzliche Investition in ein OBD-II-Diagnosetool, das idealerweise auch markenspezifische Funktionen unterstützt. Universelle OBD-II-Scanner können zwar Fehlercodes auslesen und löschen, aber für tiefergehende Funktionen wie das Anlernen von Komponenten, das Zurücksetzen von Serviceintervallen oder das Aktivieren von Servicemodi (z.B. für die elektronische Parkbremse) sind oft erweiterte Funktionen oder sogar markenspezifische Software nötig. Hier ist die Situation bei MG noch im Aufbau. Während es für etablierte Marken eine Fülle an Drittanbieter-Tools und Software gibt, ist das Angebot für moderne MG-Modelle noch überschaubarer.
Ersatzteilbeschaffung und Kosten: Eine neue Herausforderung
Ein entscheidender Faktor für die Schrauberfreundlichkeit ist die Verfügbarkeit und der Preis von Ersatzteilen. Für moderne MG-Modelle sind Originalteile über das Händlernetz verfügbar. Die Preise liegen im marktüblichen Rahmen, können aber für spezielle Komponenten durchaus ins Gewicht fallen. Die Verfügbarkeit von Aftermarket-Teilen (Zubehörteile von Drittanbietern) ist für gängige Verschleißteile wie Bremsen, Filter oder Zündkerzen zunehmend gegeben. Allerdings ist die Auswahl noch nicht so breit gefächert wie bei Marken mit jahrzehntelanger Präsenz auf dem europäischen Markt. Dies kann dazu führen, dass man bei bestimmten Teilen auf Originalteile angewiesen ist, was die Reparaturkosten und die Abhängigkeit von der Vertragswerkstatt erhöht.
Besonders bei den Elektro- und Hybridmodellen wird die Ersatzteilsituation komplexer. Komponenten für den Elektroantrieb – wie Elektromotoren, Leistungselektronik oder Hochvolt-Batteriepakete – sind Spezialteile, die fast ausschließlich über den Hersteller bezogen werden können und dementsprechend teuer sind. Auch bei Unfällen können diese Teile die Reparaturkosten extrem in die Höhe treiben und im schlimmsten Fall zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen, selbst bei vergleichsweise geringen Beschädigungen.
Spezifische Herausforderungen bei Elektro- und Hybridmodellen: Sicherheit geht vor!
Hier kommt der vielleicht wichtigste Punkt für den Hobbyschrauber: Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge stellen völlig neue Anforderungen an Wartung und Reparatur. Die in diesen Fahrzeugen verbauten Hochvoltsysteme operieren mit Spannungen von mehreren hundert Volt. Ein unsachgemäßer Umgang damit birgt Lebensgefahr durch Stromschläge oder Kurzschlüsse, die zu Bränden führen können. Daher ist es zwingend erforderlich, dass Arbeiten an diesen Systemen ausschließlich von geschultem Fachpersonal mit entsprechender Hochvolt-Zertifizierung durchgeführt werden.
Das bedeutet im Klartext: Ein DIY-Ölwechsel bei einem Verbrenner mag noch in Eigenregie möglich sein, aber an der Hochvolt-Batterie eines MG ZS EV oder an den Komponenten des Hybridantriebs eines MG EHS Plug-in Hybrid hat der Laie absolut nichts zu suchen. Selbst scheinbar einfache Arbeiten im Motorraum können riskant sein, da dort oft Hochvoltleitungen verlaufen, die nicht immer offensichtlich sind. Wer sich an einem Elektroauto versuchen möchte, sollte sich auf die 12V-Bordnetz-Komponenten, Karosseriearbeiten oder den Wechsel von Rädern beschränken. Alles, was mit dem Antriebsstrang oder der Hochvolt-Batterie zu tun hat, ist tabu ohne entsprechende Fachkenntnis und Ausrüstung. Die Hersteller gestalten diese Systeme bewusst so, dass ein Zugriff für Laien erschwert wird, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Karosserie und Innenraum: Kleinere Reparaturen mit Tücken
Auch im Bereich Karosserie und Innenraum gibt es für den Hobbyschrauber bei modernen MGs sowohl Licht als auch Schatten. Kleinere Lackschäden oder Dellen können mit den richtigen Mitteln und etwas Geschick oft selbst behoben werden. Der Austausch von Anbauteilen wie Spiegeln oder Stoßfängern ist grundsätzlich möglich, erfordert aber oft den Zugang zu versteckten Befestigungspunkten und eine sorgfältige Demontage von Verkleidungen. Die Qualität der verbauten Kunststoffe und Clips ist dabei entscheidend – brechen diese schnell, wird die Reparatur mühsam.
Im Innenraum ist die Situation ähnlich. Der Ausbau von Verkleidungen, um beispielsweise Kabel für Zubehör zu verlegen oder eine Birne im Innenraum zu wechseln, erfordert oft Geduld und die Kenntnis der richtigen Montagereihenfolge und der Position der Halteclips. Die Integration von Infotainmentsystemen und digitalen Cockpits lässt kaum Spielraum für individuelle DIY-Upgrades oder Reparaturen, da diese Systeme stark miteinander vernetzt sind und oft markenspezifische Software benötigen.
Die Community und Informationslage: Ein wachsender Bereich
Ein wichtiger Aspekt der Schrauberfreundlichkeit ist die Verfügbarkeit von Informationen und die Unterstützung durch eine Community. Für klassische MGs gibt es eine riesige Fangemeinde, unzählige Foren, Reparaturanleitungen und Spezialisten. Für die modernen MG-Modelle ist diese Infrastruktur noch im Aufbau. Es gibt erste Foren und Facebook-Gruppen, in denen sich Besitzer austauschen, aber die Dichte an detaillierten Anleitungen, Werkstatthandbüchern (außer den offiziellen, oft kostenpflichtigen des Herstellers) und YouTube-Tutorials ist noch nicht vergleichbar mit etablierten Marken.
Das bedeutet, dass man sich als Hobbyschrauber oft auf eigene Faust durchschlagen muss oder auf die Informationen der Vertragswerkstätten angewiesen ist. Mit der wachsenden Verbreitung der modernen MG-Modelle ist jedoch zu erwarten, dass auch die DIY-Community und das Angebot an unabhängigen Informationen und Anleitungen stetig wachsen werden. Dies ist ein entscheidender Faktor, um die Hürden für private Wartungs- und Reparaturarbeiten zu senken.
Fazit und Empfehlungen für den Hobbyschrauber
Um die Eingangsfrage zu beantworten: Moderne MG-Modelle sind nur noch bedingt „schrauberfreundlich“ im klassischen Sinne. Sie folgen dem allgemeinen Trend der Automobilindustrie zu immer komplexeren, digitalisierten und integrierten Fahrzeugen. Das hat weitreichende Konsequenzen für den DIY-Enthusiasten:
- Einfache Wartung (Öl, Filter, Flüssigkeiten, Reifenwechsel) ist bei Verbrenner- und Hybridmodellen oft noch machbar, erfordert aber zunehmend spezifisches Wissen und manchmal Spezialwerkzeug oder ein Diagnosegerät.
- Komplexere Reparaturen am Antriebsstrang, der Elektronik oder den Assistenzsystemen sind ohne Fachkenntnisse, Spezialwerkzeug und vor allem ein geeignetes Diagnosegerät kaum noch möglich.
- Elektro- und Hybridmodelle sind für den Laien im Bereich der Hochvoltsysteme absolut tabu. Hier geht Sicherheit vor! Nur geschultes Fachpersonal darf an diesen Systemen arbeiten.
- Ersatzteilverfügbarkeit ist gegeben, aber die Auswahl an Aftermarket-Teilen ist noch begrenzt, was zu höheren Kosten führen kann.
- Die Informationslage und Community-Unterstützung wachsen, sind aber noch nicht so ausgeprägt wie bei anderen Marken.
Wer sich einen modernen MG zulegt und gerne selbst Hand anlegt, sollte eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und der Komplexität des Fahrzeugs vornehmen. Für routinierte Fahrzeugwartung und kleine Arbeiten kann man mit den richtigen Informationen und einem Basis-Diagnosegerät noch einiges selbst erledigen. Für alles, was darüber hinausgeht, insbesondere bei Elektroautos, ist der Gang zur Fachwerkstatt nicht nur ratsam, sondern oft auch unerlässlich – und lebensnotwendig. Moderne MGs sind attraktive Autos, aber die Romantik des einfachen Schraubens gehört bei ihnen, wie bei fast allen neuen Fahrzeugen, größtenteils der Vergangenheit an.