Der Gedanke, einen Mercedes C240 W203 zu besitzen, weckt bei vielen Autofans eine gewisse Faszination. Die Eleganz der Linienführung, der Komfort im Innenraum und vor allem der seidenweiche V6-Motor machen diesen Youngtimer auch heute noch zu einer attraktiven Option auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Doch wie bei jedem Fahrzeug, das bereits einige Jahre und Kilometer auf dem Buckel hat, gibt es auch beim W203 spezifische Eigenheiten und Schwachstellen, die vor dem Kauf genauestens unter die Lupe genommen werden sollten. Dieser umfassende Ratgeber hilft Ihnen dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen und einen W203 zu finden, der Ihnen noch lange Freude bereitet.
Der Mercedes C240 W203: Eine Kurze Vorstellung
Die Baureihe W203 wurde von Mercedes-Benz zwischen 2000 und 2007 produziert und war als Limousine (W203), T-Modell (S203) und Sportcoupé (CL203) erhältlich. Der hier fokussierte C240 wurde hauptsächlich von 2000 bis 2005 angeboten und zeichnet sich durch seinen 2,6-Liter-V6-Motor (M112) aus, der 170 PS leistet. Dieser Motor ist bekannt für seine hervorragende Laufruhe, seine Souveränität und seinen angenehmen Klang, der ihn von den oft temperamentvolleren, aber weniger kultivierten Reihenvierzylindern abhebt. Er wurde meist mit dem robusten 5-Gang-Automatikgetriebe (5G-Tronic) kombiniert, was den Fahrkomfort zusätzlich unterstreicht. Ausstattungsseitig gab es die Linien Classic, Elegance und Avantgarde, die sich durch unterschiedliche Designmerkmale und Komfortniveaus auszeichneten. Der C240 positionierte sich als komfortabler Reisewagen mit ausreichend Leistungsreserven für den Alltag.
Die Stärken des C240 W203
Auch wenn wir uns gleich den Schwachstellen widmen, ist es wichtig, die Vorzüge des Mercedes C240 W203 hervorzuheben:
- Motor (M112 V6): Der 2,6-Liter-V6 gilt als einer der robustesten Motoren seiner Zeit von Mercedes-Benz. Er besticht durch exzellente Laufruhe, Zuverlässigkeit und einen angenehmen Klang. Im Vergleich zu den später problematischen M271-Vierzylindern mit Steuerkettenproblemen ist der M112 deutlich unauffälliger.
- Komfort: Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt und schluckt Unebenheiten souverän. Die Sitze bieten auch auf langen Strecken guten Halt und Bequemlichkeit. Die Geräuschdämmung ist, Mercedes-typisch, auf hohem Niveau.
- Verarbeitungsqualität (Innenraum): Im Innenraum dominieren hochwertige Materialien, die bei guter Pflege auch nach vielen Jahren noch ansprechend aussehen. Viele Schalter und Bedienelemente sind langlebig konstruiert.
- Sicherheit: Zur Markteinführung bot der W203 ein hohes Maß an passiver und aktiver Sicherheit, darunter zahlreiche Airbags und elektronische Fahrhilfen wie ESP.
Die Schwachstellen des C240 W203: Worauf Sie UNBEDINGT achten müssen
Nun kommen wir zum Kernstück der Kaufberatung. Der Mercedes C240 W203 hat spezifische Problemzonen, die Sie bei der Besichtigung detailliert prüfen müssen, um teure Überraschungen zu vermeiden.
1. Rost: Der größte Feind des W203
Rost ist zweifellos die Achillesferse des W203. Mercedes-Benz hatte in dieser Ära mit Qualitätsproblemen bei der Lackierung und dem Korrosionsschutz zu kämpfen. Prüfen Sie folgende Stellen besonders gründlich:
- Türen: Speziell an den unteren Falzen und im Bereich der Zierleisten. Heben Sie auch die Gummidichtungen leicht an, um darunterliegenden Rost zu entdecken.
- Radläufe: Sowohl vorne als auch hinten, besonders an den Kanten, wo Steinschlag den Lack beschädigt hat.
- Kofferraumdeckel: Oft im Bereich der Griffleiste und um das Schloss herum.
- Motorhaube: Entlang der Kanten, besonders vorne.
- Unterboden: Schauen Sie sich die vorderen und hinteren Achsträger, die Bremsleitungen, die Wagenheberaufnahmen und die Bereiche um die Gummilager genau an. Hier kann der Rost bereits strukturelle Schäden verursachen.
- Federaufnahmen: Ein kritischer Punkt, an dem Rost zu Federbrüchen führen kann.
Oberflächlicher Rost ist ärgerlich, aber noch beherrschbar. Durchrostungen oder starke Rostbildung an tragenden Teilen können jedoch das Ende für das Fahrzeug bedeuten oder extrem kostspielige Reparaturen nach sich ziehen. Ein W203 ohne jeglichen Rost ist eine Seltenheit und ein gutes Indiz für eine sehr gute Pflege.
2. Elektrik und Elektronik: Die Tücken der Moderne
Der W203 war bereits relativ komplex in seiner Elektronik. Das Alter führt hier zu verschiedenen Problemen:
- SAM-Module (Signal-Erfassungs- und Ansteuer-Modul): Besonders das vordere und hintere SAM-Modul sind anfällig für Feuchtigkeit und führen dann zu Ausfällen von Lichtern, Blinkern, Scheibenwischern, Fensterhebern oder der Zentralverriegelung. Testen Sie alle elektrischen Funktionen.
- Kombiinstrument: Pixelfehler in der Displayanzeige sind weit verbreitet und ärgerlich. Im schlimmsten Fall kann das Kombiinstrument komplett ausfallen.
- Klimaanlage: Prüfen Sie die Kühlleistung und achten Sie auf ungewöhnliche Geräusche des Kompressors. Ein defekter Klimakompressor oder Undichtigkeiten im System können teuer werden.
- ESP/ABS: Leuchtende Kontrollleuchten deuten oft auf defekte ABS-Sensoren oder verschmutzte ABS-Ringe an den Radlagern hin. Im schlimmsten Fall ist das ABS/ESP-Steuergerät defekt, was sehr teuer ist.
- Lichtmaschine/Batterie: Eine altersschwache Lichtmaschine kann zu Ladeproblemen führen. Prüfen Sie die Ladespannung.
3. Fahrwerk und Lenkung: Komfort und Sicherheit
Das Fahrwerk des W203 ist zwar komfortabel, aber die Komponenten verschleißen mit der Zeit:
- Vorderachse: Achten Sie auf Poltern oder Knarzen beim Überfahren von Unebenheiten. Querlenker, Traggelenke und Spurstangenköpfe sind häufige Verschleißteile. Heben Sie das Fahrzeug an und prüfen Sie auf Spiel.
- Hinterachse: Die aufwendige Mehrlenkerachse hat zahlreiche Gummilager und Kugelgelenke, die mit der Zeit verschleißen und zu einem schwammigen Fahrgefühl führen können.
- Federbrüche: Insbesondere die vorderen und hinteren Federn (speziell beim T-Modell) neigen zu Brüchen. Prüfen Sie die Federn auf Risse oder Brüche.
- Lenkung: Achten Sie auf Lenkspiel oder ungewöhnliche Geräusche beim Lenken. Undichtigkeiten an der Servopumpe oder am Lenkgetriebe sind ebenfalls möglich.
4. Motor (M112 V6) und Getriebe (5G-Tronic): Die Antriebseinheit
Obwohl der M112 V6-Motor sehr robust ist, gibt es auch hier Punkte zu beachten:
- Ölverlust: Klassische Stellen sind Ventildeckeldichtungen und die Simmerringe an Kurbelwelle und Nockenwellen. Ein leichter Ölfilm ist oft noch hinnehmbar, aber starke Undichtigkeiten müssen behoben werden.
- Kurbelwellensensor: Ein häufiges Problem, das zu Startschwierigkeiten oder Motorstillstand führen kann, wenn der Motor warm ist.
- Nockenwellenversteller/Magneten: Können Öl nach außen oder durch den Kabelbaum in das Steuergerät leiten (Kapillarwirkung). Prüfen Sie die Stecker auf Ölrückstände.
- Zündkerzen/Zündspulen: Der V6-Motor hat 12 Zündkerzen, deren Wechsel aufwendig und teuer ist. Zündspulen können mit der Zeit ausfallen. Achten Sie auf unrunden Motorlauf.
- Kurbelgehäuseentlüftung: Kann verstopfen oder defekt sein, was zu erhöhtem Ölverbrauch oder Falschluft führen kann.
Das 5G-Tronic Automatikgetriebe gilt als sehr zuverlässig, aber nur bei regelmäßiger Wartung:
- Getriebeölwechsel: Mercedes-Benz gab ursprünglich eine „Lifetime-Füllung” an, was sich als Fehler erwies. Ein Getriebeölwechsel ist alle 60.000 km oder alle 5 Jahre dringend empfohlen. Fehlt diese Historie, ist Vorsicht geboten.
- Schaltverhalten: Achten Sie auf Ruckeln, harte Schaltvorgänge oder Gedenksekunden. Auch ein „Notlaufprogramm” kann auf Probleme hindeuten.
- Steckerbuchse: Die elektrische Steckerbuchse am Getriebe neigt zu Undichtigkeiten, wodurch Getriebeöl in den Kabelbaum gelangt und das Getriebesteuergerät beschädigen kann.
5. Bremsanlage und Abgasanlage
- Bremsen: Prüfen Sie den Zustand von Bremsscheiben und -belägen. Wichtiger ist jedoch der Zustand der Bremsleitungen, die von Rost befallen sein können.
- Abgasanlage: Prüfen Sie auf Undichtigkeiten oder durchgerostete Endschalldämpfer und Rohre.
6. Innenausstattung
Auch wenn die Materialien hochwertig sind, gibt es Verschleißspuren:
- Sitzwangen: Die Seitenwangen der Sitze, besonders an der Fahrerseite, können durch den Einstieg abgewetzt sein.
- Lenkrad und Schaltknauf: Zeigen oft Abnutzungsspuren.
- Feuchtigkeit: Achten Sie auf feuchte Stellen im Fußraum, die auf Undichtigkeiten (z.B. der Türfolien oder des Schiebedachs) hinweisen könnten. Dies kann wiederum die Elektronik beeinträchtigen.
Der Kaufprozess: So gehen Sie vor
Ein gründlicher Gebrauchtwagenkauf erfordert mehr als nur einen schnellen Blick:
- Historie prüfen: Verlangen Sie das vollständige Scheckheft, alle vorhandenen Rechnungen und die TÜV-Berichte. Anhand der TÜV-Berichte können Sie sehen, welche Mängel in der Vergangenheit beanstandet wurden (oft auch Rost). Eine lückenlose Historie ist ein gutes Zeichen.
- Besichtigung: Führen Sie die Besichtigung bei Tageslicht und idealerweise bei trockenem Wetter durch. Das Fahrzeug sollte sauber sein, damit Mängel nicht kaschiert werden. Nehmen Sie eine zweite Person mit – vier Augen sehen mehr als zwei.
- Probefahrt: Bestehen Sie auf einer ausführlichen Probefahrt. Starten Sie das Fahrzeug sowohl kalt als auch warm. Achten Sie auf ungewöhnliche Geräusche (Motor, Fahrwerk), Schaltverhalten des Getriebes (wenn Automatik), Bremsverhalten und die Funktion aller Bedienelemente. Fahren Sie verschiedene Streckenprofile (Stadt, Land, Autobahn, schlechte Straße).
- Professionelle Begutachtung: Der wichtigste Tipp! Investieren Sie in einen Gebrauchtwagencheck bei einer unabhängigen Organisation wie DEKRA, GTÜ oder ADAC, oder lassen Sie das Fahrzeug in einer Werkstatt Ihres Vertrauens prüfen. Dies kostet zwar etwas, kann Ihnen aber vor teuren Fehlkäufen bewahren und dient als Argument für Preisverhandlungen.
- Preisverhandlung: Seien Sie realistisch. Jeder W203 hat Mängel. Nutzen Sie gefundene Mängel als Basis für Preisverhandlungen.
Fazit
Der Mercedes C240 W203 kann ein charmanter, komfortabler und dank seines M112 V6-Motors auch ein sehr zuverlässiger Begleiter im Alltag sein. Seine Stärken in puncto Fahrkomfort und Antriebskultur sind auch heute noch beeindruckend. Allerdings erfordert der Kauf eines solchen Gebrauchtwagens eine äußerst sorgfältige Prüfung. Besonders der Rost und die Elektrik sind potenzielle Stolperfallen, die Sie genauestens unter die Lupe nehmen müssen.
Ein gut gewartetes und möglichst scheckheftgepflegtes Exemplar, idealerweise aus erster Hand und ohne gravierende Rostschäden, ist Gold wert. Seien Sie misstrauisch bei „Schnäppchen” zu unrealistisch niedrigen Preisen. Die potenziellen Wartungs- und Reparaturkosten sollten Sie nicht unterschätzen – Ersatzteile für einen Mercedes, auch einen älteren, können teuer sein. Doch wer sich die Zeit für eine gründliche Suche und Prüfung nimmt, findet im C240 W203 einen charaktervollen und komfortablen Klassiker für den Alltag, der noch viele Kilometer zuverlässig seinen Dienst verrichten kann.