Die Frage, ob Ausländer, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, tatsächlich zurückgeschickt werden, ist ein hochsensibles und kontrovers diskutiertes Thema. Es ist wichtig, diese Debatte auf Basis von Fakten und rechtlichen Grundlagen zu beleuchten, um Missverständnisse auszuräumen und eine informierte Meinungsbildung zu ermöglichen.
Was bedeutet „zurückschicken” überhaupt?
Bevor wir tiefer in die Materie eintauchen, ist es wichtig, den Begriff „zurückschicken” zu definieren. Im Kontext der Migrationspolitik kann dies verschiedene Szenarien umfassen:
- Abschiebung: Die zwangsweise Rückführung einer Person ohne Aufenthaltsrecht in ihr Herkunftsland oder ein anderes Land, das zur Aufnahme bereit ist.
- Ausweisung: Die Anordnung, Deutschland zu verlassen, oft verbunden mit einem Einreiseverbot.
- Freiwillige Ausreise: Die Entscheidung einer Person, Deutschland freiwillig zu verlassen, oft unterstützt durch Programme zur Rückkehrförderung.
- Verweigerung des Asylantrags: Die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz, die in der Regel die Pflicht zur Ausreise nach sich zieht.
Die rechtliche Grundlage: Asylgesetz und Aufenthaltsgesetz
Die Aufenthaltsrechte von Ausländern in Deutschland sind durch verschiedene Gesetze geregelt, insbesondere durch das Asylgesetz (AsylG) und das Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Das AsylG regelt die Verfahren zur Anerkennung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Das AufenthG regelt die Einreise, den Aufenthalt und die Ausreise von Ausländern, die nicht unter das AsylG fallen.
Grundsätzlich gilt: Wer in Deutschland keinen gültigen Aufenthaltstitel besitzt und nicht unter den Schutz des Asylgesetzes fällt, ist zur Ausreise verpflichtet. Dies gilt unabhängig davon, wann die Person nach Deutschland gekommen ist. Die tatsächliche Abschiebung ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und wird nicht automatisch vollzogen.
Die Situation seit 2015: Flucht und Migration
Die Flüchtlingskrise 2015 führte zu einem deutlichen Anstieg der Zahl der Asylanträge in Deutschland. Viele Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und anderen Ländern suchten Schutz vor Krieg, Verfolgung und Armut. Ein großer Teil dieser Menschen hat inzwischen einen Aufenthaltsstatus erhalten, entweder als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder aufgrund subsidiären Schutzes.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Ausländer, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, automatisch zur Abschiebung anstehen. Viele von ihnen haben sich in Deutschland integriert, arbeiten, zahlen Steuern und tragen zum gesellschaftlichen Leben bei. Die Frage der Rückführung betrifft in erster Linie diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die keine anderen Gründe für einen Aufenthalt in Deutschland vorweisen können.
Faktencheck: Wie viele Abschiebungen gibt es tatsächlich?
Die tatsächliche Zahl der Abschiebungen ist Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Es ist wichtig, sich auf offizielle Statistiken zu stützen, um die Debatte zu versachlichen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) veröffentlicht regelmäßig Zahlen zu Asylanträgen, Entscheidungen und Abschiebungen. Die Statistiken zeigen, dass:
- Nicht alle Asylanträge positiv beschieden werden. Ein Teil der Anträge wird abgelehnt, entweder weil die Voraussetzungen für Asyl oder Flüchtlingsschutz nicht erfüllt sind oder weil andere Gründe für eine Ablehnung vorliegen.
- Die Zahl der Abschiebungen in den letzten Jahren variiert hat. Sie ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie z.B. der Zahl der abgelehnten Asylanträge, der Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer und der Umsetzung der Abschiebepolitik durch die Bundesländer.
- Die tatsächliche Zahl der Abschiebungen oft geringer ist als die Zahl der Ausreisepflichtigen. Dies liegt daran, dass viele Personen freiwillig ausreisen oder aus anderen Gründen nicht abgeschoben werden können (z.B. aufgrund von Krankheit oder fehlenden Reisedokumenten).
Es ist irreführend zu behaupten, dass alle Ausländer, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind und deren Asylantrag abgelehnt wurde, automatisch abgeschoben werden. Jeder Fall wird individuell geprüft, und es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum eine Abschiebung nicht vollzogen werden kann.
Hindernisse und Hürden bei der Abschiebung
Die Abschiebung von Ausländern ist oft mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Zu den häufigsten Hindernissen gehören:
- Fehlende Reisedokumente: Wenn die Herkunftsländer keine Reisedokumente ausstellen, können die betroffenen Personen nicht abgeschoben werden.
- Krankheit: Schwer kranke Menschen können in der Regel nicht abgeschoben werden, da dies eine Gefahr für ihr Leben darstellen würde.
- Integration: Personen, die sich gut in Deutschland integriert haben (z.B. durch Arbeit oder Ausbildung), können unter Umständen einen Anspruch auf eine Duldung oder einen Aufenthaltstitel haben.
- Familiäre Bindungen: Wenn die betroffenen Personen enge familiäre Bindungen in Deutschland haben, kann dies ein Abschiebungshindernis darstellen.
- Humanitäre Gründe: In bestimmten Fällen können humanitäre Gründe gegen eine Abschiebung sprechen, z.B. wenn die betroffene Person im Herkunftsland schwerer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre.
Diese Hindernisse führen dazu, dass viele Ausländer, die eigentlich ausreisepflichtig sind, faktisch in Deutschland bleiben und geduldet werden. Die Debatte über die Rückführung von Ausländern muss daher auch die Frage der Duldung und der Möglichkeiten zur Integration berücksichtigen.
Fazit: Realität und Rhetorik in der Debatte
Die Debatte über die Rückführung von Ausländern, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, ist oft von Emotionen und politischen Interessen geprägt. Es ist wichtig, zwischen der rhetorischen Zuspitzung und der Realität zu unterscheiden. Nicht alle Ausländer, die seit 2015 hier sind, werden zurückgeschickt. Die Abschiebung betrifft in erster Linie Personen ohne Aufenthaltsrecht, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die keine anderen Gründe für einen Aufenthalt in Deutschland vorweisen können. Die tatsächliche Zahl der Abschiebungen ist jedoch geringer als die Zahl der Ausreisepflichtigen, und es gibt eine Vielzahl von Hindernissen, die eine Abschiebung erschweren oder verhindern können. Eine differenzierte Betrachtung der Fakten und der rechtlichen Grundlagen ist unerlässlich, um eine informierte und konstruktive Debatte über die Migrationspolitik zu führen.