Wer sich mit der Wartung oder Reparatur von Verbrennungsmotoren beschäftigt, stolpert früher oder später über die Frage, ob es sinnvoll oder sogar schädlich ist, den Motor ohne Zündkerzen drehen zu lassen. Die Meinungen gehen hier oft auseinander und es kursieren viele Halbwahrheiten. Dieser Artikel beleuchtet das Thema umfassend, erklärt die Hintergründe und hilft dir, eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Was passiert, wenn man einen Motor ohne Zündkerzen dreht?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was genau passiert, wenn der Motor ohne Zündkerzen gedreht wird. In diesem Fall wird der Motor entweder durch den Anlasser oder manuell gedreht (z.B. mit einem Schraubenschlüssel an der Kurbelwelle). Da keine Zündkerzen vorhanden sind, findet keine Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemisches statt. Das bedeutet:
- Keine Verbrennung: Der Kraftstoff-Luft-Gemisch wird in die Zylinder gesaugt, verdichtet, aber nicht gezündet.
- Druckentlastung: Ohne Zündkerzenöffnungen entweicht die komprimierte Luft durch die Zündkerzenbohrungen. Der Druck in den Zylindern ist geringer als bei eingebauten Zündkerzen.
- Ölverteilung: Die Ölpumpe wird durch die Drehbewegung des Motors angetrieben und verteilt das Öl im Schmierkreislauf.
- Kraftstoffzufuhr: Bei modernen Motoren mit elektronischer Einspritzung kann Kraftstoff eingespritzt werden, abhängig von der Motorsteuerung. Bei älteren Vergasermotoren wird in der Regel kein Kraftstoff angesaugt, da der Unterdruck im Vergaser fehlt.
Wann ist das Drehen ohne Zündkerzen sinnvoll?
Es gibt durchaus Situationen, in denen das Drehen des Motors ohne Zündkerzen eine sinnvolle und sogar notwendige Maßnahme sein kann:
- Nach längerer Standzeit: Wenn ein Motor längere Zeit gestanden hat, kann das Öl in der Ölwanne versackt sein. Das Drehen ohne Zündkerzen hilft, das Öl wieder im gesamten Schmierkreislauf zu verteilen, bevor der Motor tatsächlich gestartet wird. Dies minimiert den Verschleiß beim ersten Start.
- Nach Reparaturen am Ölkreislauf: Nach dem Wechsel von Ölfilter, Ölpumpe oder anderen Komponenten des Ölkreislaufs ist es wichtig, sicherzustellen, dass alle Teile ausreichend mit Öl versorgt sind, bevor der Motor unter Last betrieben wird.
- Entfernen von Flüssigkeiten aus den Zylindern: Wenn versehentlich Flüssigkeit (Wasser, Kühlmittel, Kraftstoff) in die Zylinder gelangt ist, kann das Drehen ohne Zündkerzen helfen, diese auszublasen. Wichtig: Die Flüssigkeit muss vorher so gut wie möglich entfernt werden, da es sonst zu einem Wasserschlag kommen kann, wenn zu viel Flüssigkeit vorhanden ist.
- Kompressionstest vorbereiten: Um einen möglichst genauen Kompressionstest durchzuführen, kann es hilfreich sein, den Motor vorher ohne Zündkerzen durchzudrehen, um die Zylinder zu „entlüften”.
- Fehlersuche bei Startproblemen: In manchen Fällen kann das Drehen ohne Zündkerzen helfen, Fehler im Anlasssystem oder der Batterie zu diagnostizieren.
- Vorbereitung nach Motorüberholung: Nach einer kompletten Motorüberholung ist das Drehen ohne Zündkerzen obligatorisch, um sicherzustellen, dass alle neuen Komponenten geschmiert sind und sich „einarbeiten” können.
Wann ist das Drehen ohne Zündkerzen schädlich?
Obwohl es sinnvolle Anwendungen gibt, sollte man das Drehen ohne Zündkerzen nicht unbedacht durchführen. In einigen Fällen kann es kontraproduktiv oder sogar schädlich sein:
- Bei Motoren mit Katalysator: Wenn der Motor längere Zeit ohne Zündkerzen gedreht wird, kann unverbrannter Kraftstoff in den Katalysator gelangen. Dies kann den Katalysator beschädigen, insbesondere bei häufigen oder langen Drehdurchgängen.
- Bei Motoren mit Rußpartikelfilter (Diesel): Ähnlich wie beim Katalysator kann unverbrannter Kraftstoff (Diesel) in den Rußpartikelfilter gelangen und diesen verstopfen.
- Bei unsachgemäßer Durchführung nach Flüssigkeitseintritt: Wie bereits erwähnt, sollte man bei Flüssigkeitseintritt in die Zylinder vorsichtig sein. Zu viel Flüssigkeit kann zu einem Wasserschlag führen, der den Motor schwer beschädigen kann (verbogene Pleuel, gebrochene Kurbelwelle).
- Bei älteren Motoren mit mechanischer Kraftstoffpumpe: Das Drehen ohne Zündkerzen kann bei älteren Vergasermotoren mit mechanischer Kraftstoffpumpe dazu führen, dass die Pumpe übermäßig Kraftstoff fördert und den Vergaser überflutet.
Worauf sollte man beim Drehen ohne Zündkerzen achten?
Wenn du dich dafür entscheidest, den Motor ohne Zündkerzen zu drehen, solltest du folgende Punkte beachten:
- Zündkerzenstecker abziehen: Unbedingt die Zündkerzenstecker abziehen oder die Zündung deaktivieren, um zu verhindern, dass versehentlich ein Zündfunke entsteht.
- Nicht zu lange drehen: Vermeide es, den Motor übermäßig lange zu drehen, insbesondere bei Motoren mit Katalysator oder Rußpartikelfilter. Kurze Intervalle (5-10 Sekunden) sind in der Regel ausreichend.
- Ölstand prüfen: Stelle sicher, dass ausreichend Öl im Motor vorhanden ist.
- Batterie laden: Eine schwache Batterie kann das Drehen erschweren und das Anlasssystem unnötig belasten.
- Kraftstoffzufuhr unterbrechen: Bei manchen Motoren kann es sinnvoll sein, die Kraftstoffzufuhr zu unterbrechen (z.B. durch Ziehen der Sicherung der Kraftstoffpumpe), um zu verhindern, dass unverbrannter Kraftstoff in den Abgastrakt gelangt.
- Sicherheitsvorkehrungen treffen: Trage geeignete Schutzkleidung (Handschuhe, Schutzbrille) und arbeite in einer gut belüfteten Umgebung.
- Motorcode beachten: Informiere dich über spezifische Empfehlungen für deinen Motorcode. Manche Hersteller raten explizit von dieser Praxis ab.
Fazit
Das Drehen des Motors ohne Zündkerzen ist keine pauschal gute oder schlechte Idee. Es kann in bestimmten Situationen sehr nützlich sein, um den Motor zu schonen oder Reparaturen vorzubereiten. Allerdings birgt es auch Risiken, insbesondere bei Motoren mit Abgasnachbehandlungssystemen oder bei unsachgemäßer Durchführung. Es ist daher wichtig, die Vor- und Nachteile abzuwägen und die oben genannten Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Informiere dich im Zweifelsfall beim Hersteller oder einem erfahrenen Mechaniker, um Schäden am Motor zu vermeiden. Das wichtigste ist, dass du die spezifischen Anforderungen deines Motors kennst und entsprechend handelst.
Letztendlich ist es wie bei vielen Dingen in der Autoreparatur: Mit dem richtigen Wissen und der nötigen Sorgfalt kann man viel erreichen. Ohne das entsprechende Fachwissen kann man aber auch schnell mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Sei also immer vorsichtig und informiere dich gründlich, bevor du etwas tust.