Der neue König der ARPGs? Wir verraten, für wen sich „Last Epoch“ wirklich lohnt

Die Welt der Action-Rollenspiele (ARPGs) ist umkämpft. Jahrelang dominierten Giganten wie Diablo und Path of Exile den Markt, jeder mit seiner eigenen treuen Anhängerschaft. Doch seit Februar 2024 mischt ein neuer Herausforderer die Karten neu: Last Epoch. Nach einer langen Early-Access-Phase feierte das Spiel von Eleventh Hour Games seinen Full Release und sorgt seitdem für begeisterte Stimmen in der Community. Die Frage, die sich viele stellen: Ist Last Epoch der neue König der ARPGs? Oder anders formuliert: Für wen lohnt sich dieser vielversprechende Titel wirklich?

Ein frischer Wind im Hack & Slay-Genre

Bevor wir uns der Königsfrage widmen, klären wir, was Last Epoch überhaupt ist. Es ist ein klassisches Hack & Slay-ARPG, das heißt, ihr metzelt euch durch Horden von Monstern, sammelt tonnenweise Loot und verbessert eure Charaktere durch ein tiefgreifendes Fähigkeits- und Ausrüstungssystem. Das Besondere an Last Epoch ist sein einzigartiger Zeitreise-Aspekt, der die Story vorantreibt und verschiedene Epochen der Spielwelt vorstellt. Doch der wahre Charme liegt in seinen Systemen, die versuchen, eine Brücke zwischen der Zugänglichkeit eines Diablo und der Komplexität eines Path of Exile zu schlagen.

Die Stärken von Last Epoch: Wo es wirklich glänzt

1. Das brillante Skill-System und die Build-Vielfalt

Dies ist das Herzstück von Last Epoch und einer der Hauptgründe für seinen Erfolg. Jeder aktive Skill im Spiel besitzt einen eigenen, dedizierten Skill-Tree. Das bedeutet, dass ihr eure Fähigkeiten nicht nur auflevelt, sondern sie aktiv durch Punkte in ihren Bäumen modifiziert und anpasst. Eine einfache Feuerball-Fähigkeit kann so zu einem mächtigen Meteorschlag, einem explosiven Flächenangriff oder einem Kettenzauber werden. Diese Freiheit, kombiniert mit dem umfangreichen passiven Skill-Baum, der sich nach der Wahl eurer Meisterklasse (Specialization) noch weiter verzweigt, ermöglicht eine schier unendliche Vielfalt an Builds. Egal, ob ihr lieber tanky, glasig, melee, ranged oder caster spielt – hier findet jeder seinen Spielstil und kann ihn nach Belieben optimieren.

2. Das deterministische Crafting-System

Einer der frustrierendsten Aspekte in vielen ARPGs ist das oft RNG-lastige (Zufallsprinzip) Crafting. Last Epoch geht hier einen anderen Weg. Mit seinem deterministischen Crafting-System habt ihr deutlich mehr Kontrolle über das Ergebnis. Ihr findet spezielle Runen und Glyphen, die es euch erlauben, Affixe auf Gegenständen hinzuzufügen, zu entfernen, zu verbessern oder zu neu auszuwürfeln. Zwar gibt es immer noch ein Element des Risikos (die „Forging Potential” begrenzt die Anzahl der Bearbeitungen), aber im Großen und Ganzen könnt ihr gezielter auf eure Wunsch-Items hinarbeiten. Das minimiert Frustration und fördert das Gefühl, dass eure Investition in Crafting sich auch wirklich auszahlt.

3. Der integrierte Loot-Filter: Ein Game-Changer

Für viele Spieler ist dies ein absolutes Killer-Feature. Last Epoch verfügt über einen unglaublich mächtigen und flexiblen Loot-Filter, der direkt ins Spiel integriert ist. Ihr könnt detailliert einstellen, welche Gegenstände angezeigt werden sollen, basierend auf Affixen, Item-Typen, Seltenheit, dem Tier der Affixe und vielem mehr. Das spart nicht nur enorme Zeit beim Einsammeln und Identifizieren von Items, sondern reduziert auch die visuelle Unordnung auf dem Bildschirm drastisch. Statt von nutzlosem Schrott überschwemmt zu werden, seht ihr nur das, was für euren Build potenziell relevant ist. Das ist nicht nur eine Quality-of-Life-Verbesserung, sondern ein fundamentaler Bestandteil des Spielerlebnisses, der andere Titel alt aussehen lässt.

4. Zugänglichkeit trotz Tiefe

Wo Path of Exile oft als unüberwindbare Mauer für Neueinsteiger beschrieben wird und Diablo 4 von vielen als zu simpel empfunden wird, findet Last Epoch eine hervorragende Balance. Die Grundlagen sind schnell erlernt, die Kampagne führt gut ins Spiel ein, und die Menüs sind übersichtlich. Doch unter der Oberfläche schlummert eine enorme Tiefe, die selbst Veteranen über viele Stunden hinweg fesselt. Man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren und trotzdem komplexere Builds planen, ohne von zig Systemen erschlagen zu werden. Die Schwierigkeitskurve steigt angenehm an und motiviert zum Weiterlernen und Optimieren.

5. Motivierendes Endgame: Der Monolith of Fate

Das Endgame von Last Epoch dreht sich hauptsächlich um den sogenannten „Monolith of Fate”. Hier betretet ihr verschiedene Zeitlinien, die durch zufällig generierte Gebiete mit variierenden Modifikatoren und Belohnungen gekennzeichnet sind. Das System erinnert an Rifts oder Maps aus anderen ARPGs, aber mit einer eigenen Note. Das Freischalten von „Empowered Monoliths” erhöht den Schwierigkeitsgrad und die Belohnungen erheblich. Zudem gibt es noch Dungeons mit einzigartigen Mechaniken und Arenas für Wellen-basiertes Kämpfen. Das Endgame ist nicht revolutionär neu, aber solide, motivierend und bietet genug Abwechslung, um Langzeitmotivation zu gewährleisten.

6. Die Entwickler (EHG) und ihre Philosophie

Eleventh Hour Games hat sich durchweg als ein Entwicklerteam gezeigt, das eng mit seiner Community zusammenarbeitet. Transparenz, regelmäßige Updates und ein offenes Ohr für Feedback haben während der Early-Access-Phase das Vertrauen der Spieler gewonnen. Diese Philosophie, kombiniert mit dem Fokus auf Spielerfreundlichkeit und einem fairen Monetarisierungsmodell (kein Pay-to-Win, nur kosmetische Gegenstände), trägt maßgeblich zum positiven Gesamtbild von Last Epoch bei.

Wo Last Epoch vielleicht noch nicht der „König” ist: Potentiale und Nachteile

1. Grafische Präsentation und Story

Obwohl Last Epoch kein hässliches Spiel ist, kann es grafisch nicht mit den High-Budget-Produktionen wie Diablo 4 mithalten. Die Optik ist funktional und stimmig, aber es fehlen die cineastischen Zwischensequenzen und die absolute Detailverliebtheit mancher Konkurrenten. Ähnlich verhält es sich mit der Story: Sie ist solide und dient als guter Rahmen für die Zeitreise-Thematik, wird aber wahrscheinlich nicht für epische, unvergessliche Momente sorgen, die einen emotional packen. Wer also Wert auf eine blockbusterreife Inszenierung legt, könnte hier Abstriche machen müssen.

2. Multiplayer und soziale Features

Seit dem Full Release ist der Multiplayer-Modus stabil, aber die sozialen Features sind noch ausbaufähig. Das Handeln erfolgt über ein Gilden- oder Auktionshaus-System, das durch die Wahl einer Fraktion (Circle of Fortune für Self-Found, Merchants Guild für Handel) beeinflusst wird. Es gibt keine riesigen sozialen Hubs wie in anderen Spielen, und der Fokus liegt eher auf dem individuellen Spielerlebnis oder dem Spielen in kleinen Gruppen. Für Spieler, die eine starke soziale Komponente in ihren ARPGs suchen, könnte dies ein kleiner Wermutstropfen sein.

3. Weniger „Hardcore” als Path of Exile (für manche)

Obwohl Last Epoch eine beachtliche Tiefe bietet, ist es in puncto reiner Komplexität und schierer Anzahl an Systemen nicht auf dem Niveau von Path of Exile. PoE bietet ein noch größeres Skill-Gem-System, komplexere Flask-Modifikationen, ein Pantheon-System, unzählige Endgame-Mechaniken wie Blight, Delve, Heist und vieles mehr. Für die Hardcore-Veteranen, die genau diese extreme Komplexität und die damit verbundenen Herausforderungen lieben, könnte Last Epoch manchmal als etwas „einfacher” oder „übersichtlicher” empfunden werden – was für viele andere Spieler aber eben genau der Reiz ist.

Für wen sich Last Epoch WIRKLICH lohnt

Kommen wir zur Kernfrage: Ist Last Epoch der neue König? Die Antwort ist, wie so oft, nuanciert. Es ist vielleicht nicht *der* König für *jeden*, aber es ist ein extrem starker Thronanwärter und ein herausragendes Spiel für eine spezifische Zielgruppe:

• Für frustrierte Diablo-Spieler, die mehr Tiefe suchen: Wenn ihr Diablo 4 liebt, euch aber mehr Build-Vielfalt, ein besseres Crafting-System und ein lohnenderes Endgame wünscht, ohne von der Komplexität eines PoE erschlagen zu werden, dann ist Last Epoch wie für euch gemacht. Es bietet eine deutlich größere Spieltiefe und Langzeitmotivation.
• Für Path of Exile-Spieler, die eine zugänglichere Alternative schätzen: Wenn ihr die Tiefe von PoE bewundert, aber vom Grind, dem undurchsichtigen Crafting, dem exzessiven RNG oder der schieren Überfülle an Systemen überfordert seid, bietet Last Epoch eine fantastische Erfahrung. Der Loot-Filter, das deterministische Crafting und das übersichtlichere Skill-System sind hier wahre Segen. Es ist eine Art „Path of Exile Light”, aber mit viel Substanz.
• Für ARPG-Neulinge mit Ambitionen: Wer neu im Genre ist, aber bereit ist, sich in tiefere Systeme einzuarbeiten, wird in Last Epoch eine ausgezeichnete Einstiegsdroge finden. Es erklärt sich besser als PoE und bietet dennoch genug Raum zum Experimentieren und Optimieren.
• Für Spieler, die Wert auf Quality of Life legen: Features wie der eingebaute Loot-Filter, die transparente Entwicklerkommunikation und das faire Monetarisierungsmodell sind ein Fest für alle, die ein Spielerlebnis ohne unnötige Stolpersteine suchen.
• Für Langzeit-Motivierte und Build-Tüftler: Die immense Build-Vielfalt und die Möglichkeit, immer wieder neue Skill-Kombinationen auszuprobieren, sorgen für Hunderte, wenn nicht Tausende von Stunden Spielspaß.

Fazit: Ein König, der seinen Thron mit Recht beansprucht

Last Epoch ist kein Spiel, das einfach die Ideen der Konkurrenz kopiert. Es hat seine eigenen, klugen Ansätze entwickelt, die es einzigartig machen und ihm eine eigene Identität verleihen. Es hat eine Lücke im ARPG-Markt gefüllt, die zwischen den beiden großen Giganten klaffte. Es ist zugänglich genug, um Neueinsteiger nicht abzuschrecken, aber tief genug, um Veteranen zu fesseln. Das überragende Skill-System, das befriedigende Crafting und der geniale Loot-Filter sind Argumente, die schwer zu ignorieren sind.

Ist es der neue König der ARPGs? Für viele Spieler, die nach einer perfekten Balance aus Zugänglichkeit, Tiefe und Spielerfreundlichkeit suchen, lautet die Antwort ganz klar: Ja. Für andere, die ultra-komplexe Systeme oder eine AAA-Grafik erwarten, mag es ein starker Prinz sein, der noch etwas Zeit braucht. Doch unbestreitbar ist: Last Epoch hat sich seinen Platz an der Spitze des Genres redlich verdient und ist eine absolute Empfehlung für jeden Fan des Hack & Slay-Genres.

Wenn ihr also auf der Suche nach eurem nächsten großen ARPG-Abenteuer seid, das euch für Hunderte von Stunden fesseln wird, gebt Last Epoch unbedingt eine Chance. Es könnte genau der neue König sein, nach dem ihr gesucht habt.