Als Elden Ring im Februar 2022 das Licht der Welt erblickte, war der Hype gigantisch. Es war nicht nur das nächste große Werk von FromSoftware, den Meistern der „Souls-like”-Formel, sondern versprach auch eine mutige neue Richtung: eine riesige, offene Welt. Die anfängliche Begeisterung war grenzenlos, die Wertungen überschlugen sich, und der Titel wurde in Windeseile zu einem der meistverkauften Spiele aller Zeiten. Doch nach über zwei Jahren, zahlreichen New Game+-Durchläufen und unzähligen Stunden im Zwischenland, stellt sich die Frage: Hält Elden Ring immer noch dem Druck stand? Ist es das unangefochtene Meisterwerk, das wir damals gefeiert haben, oder offenbaren sich im Rückblick immer mehr die Schattenseiten, die es zu einem echten Frust-Festival machen können?
Der Hype war real – und berechtigt?
Ich erinnere mich noch genau an die Tage vor dem Release. Die Gerüchteküche brodelte, die ersten Gameplay-Trailer versprachen eine atemberaubende Welt und epische Bosskämpfe. Und dann kam es: Ein Spiel, das scheinbar alle Erwartungen übertraf. Die Kritiker lobten die Kombination aus FromSoftwares bewährter Kampfmechanik und dem Gefühl grenzenloser Erkundung. Das Zwischenland war riesig, wunderschön und voller Geheimnisse, die darauf warteten, entdeckt zu werden. Für viele war es der Höhepunkt einer Ära, eine Evolution des Genres, das FromSoftware selbst etabliert hatte. Die Verkaufszahlen sprachen Bände, und die Auszeichnungen, darunter „Game of the Year”, untermauerten seinen Status als Phänomen. Der Hype war nicht nur real, er schien absolut berechtigt.
Die Faszination des Zwischenlands: Freiheit und Entdeckung
Einer der größten Pluspunkte, der Elden Ring auch heute noch auszeichnet, ist zweifellos die atemberaubende Open World. Das Zwischenland ist nicht nur gigantisch, sondern auch unglaublich dicht und atmosphärisch gestaltet. Egal, in welche Richtung man sich auf seinem treuen Reittier Sturmwind begibt, es gibt immer etwas Neues zu entdecken: versteckte Dungeons, gigantische Burgen, geheimnisvolle Ruinen oder furchteinflößende Drachen, die über das Land fliegen. Dieses Gefühl der Entdeckung und grenzenlosen Freiheit war revolutionär für ein FromSoftware-Spiel. Man wird nicht an die Hand genommen, sondern dazu ermutigt, eigene Wege zu gehen, sich zu verlaufen und dabei unvergessliche Momente zu erleben. Die Lore, wie immer bei FromSoftware, ist tiefgründig und vielschichtig, erzählt durch Umgebungsdetails, Item-Beschreibungen und nur spärliche Dialoge. Dieses passive Storytelling ermutigt zum Spekulieren und zum Austausch in der Community, was die Faszination auch nach langer Zeit aufrechterhält.
Die Art Direction ist ebenfalls ein Meisterwerk für sich. Von den goldglänzenden Hügeln Limgraves über die giftigen Sümpfe Caelids bis hin zu den eisigen Gipfeln der Riesengipfel – jede Region hat ihren eigenen, unverwechselbaren Charme und ihre eigenen Gefahren. Diese visuelle Vielfalt trägt maßgeblich zur Immersion bei und macht das Zwischenland zu einem Ort, an den man gerne zurückkehrt, selbst wenn man schon alles gesehen zu haben glaubt.
Die FromSoftware-Formel im Open-World-Gewand
Was Elden Ring so einzigartig macht, ist die geschickte Integration der bewährten FromSoftware-Mechaniken in die offene Welt. Der Kern des Gameplays – die präzisen, herausfordernden Kampfsysteme, die strategischen Bosskämpfe und das System der Runen als Währung und Erfahrungspunkte – bleibt intakt. Doch die offene Welt bietet neue Möglichkeiten. Wenn ein Boss oder ein Gebiet zu schwierig ist, kann man einfach umkehren, andere Regionen erkunden, seinen Charakter leveln, neue Ausrüstung finden und später gestärkt zurückkehren. Das mildert den berüchtigten Schwierigkeitsgrad der Souls-Spiele, ohne ihn zu verwässern. Für viele war dies eine willkommene Neuerung, die den Einstieg zugänglicher machte, während Veteranen immer noch die Möglichkeit hatten, sich extremen Herausforderungen zu stellen.
Die Vielfalt an Builds ist ebenfalls beeindruckend. Egal ob man ein mächtiger Zauberer, ein brutaler Strength-Krieger, ein flinker Dex-Assassine oder eine komplexe Hybrid-Klasse spielen möchte – Elden Ring bietet unzählige Optionen zur Charakterentwicklung. Die Waffen sind vielfältig, die Zauber und Anrufungen spektakulär, und die Rüstungen bieten nicht nur Schutz, sondern auch stilistische Abwechslung. Dies fördert die Wiederholbarkeit des Spiels, da jeder neue Durchlauf mit einem anderen Build eine frische Erfahrung sein kann.
Wo der Frust lauert: Kritikpunkte im Rückblick
Doch auch ein strahlendes „Meisterwerk” hat seine Makel, die sich mit der Zeit deutlicher zeigen. Einer der häufigsten Kritikpunkte ist die Wiederholung der Dungeons. Während die Legacy Dungeons (wie Schloss Sturmschleier oder das Königliche Hauptstadt Leyndell) einzigartig und meisterhaft gestaltet sind, wirken die zahlreichen Minidungeons wie Katakomben, Höhlen und Minen im Laufe der Zeit oft austauschbar. Man betritt sie, bekämpft ähnliche Feinde, löst ein einfaches Rätsel und trifft am Ende auf einen Boss, der oft ein Recolor oder eine leicht abgewandelte Version eines bereits besiegten Feindes ist. Dies kann das Gefühl der Entdeckung trüben und zu einer gewissen Monotonie führen.
Ein weiterer Punkt, der für Frust sorgen kann, ist der Schwierigkeitsgrad im späten Spiel. Während der Anfang und die Mitte des Spiels eine angenehme Kurve aufweisen, empfinden viele Spieler das Late Game als unfaire Spitze. Gegner werden zu Schaden-Sponges, die Angriffe sind oft mit überzogenen Hitboxen versehen, und manche Bosskämpfe (ich schaue dich an, Malenia!) können sich extrem unfair anfühlen, wenn man nicht den „richtigen” Build oder die Meta-Taktiken verwendet. Dies widerspricht dem Gefühl der Freiheit, das Elden Ring sonst so stark vermittelt, und kann dazu führen, dass man sich gezwungen fühlt, bestimmte Builds oder die Nutzung von Geisteraschen, die das Spiel trivialisieren können, zu wählen.
Auch technische Mängel, wenn auch nicht spielentscheidend, wurden kritisiert. Die Kamera kann in engen Räumen oder bei großen Bossen immer noch zu Problemen führen, und die Performance, besonders auf älteren Konsolen oder unoptimierten PCs, war zum Launch nicht immer ideal. Das Multiplayer-Erlebnis, obwohl vorhanden, ist immer noch umständlich und weit davon entfernt, ein nahtloses Koop-Erlebnis zu bieten.
Die Langzeitmotivation: Warum wir immer wieder zurückkehren
Trotz dieser Schwächen übt Elden Ring eine ungebrochene Anziehungskraft aus. Die Langzeitmotivation speist sich aus verschiedenen Quellen. Zum einen ist da die schiere Größe und Dichte des Spiels. Es gibt immer noch Geheimnisse zu lüften, Ecken zu erkunden, die man übersehen hat, oder Bosse, die man in einem früheren Durchlauf links liegen gelassen hat. Zum anderen ist da die bereits erwähnte Wiederholbarkeit durch die unzähligen Build-Möglichkeiten. Ein Run als reiner Magier fühlt sich völlig anders an als ein Run mit einem riesigen Schwert. Das Austüfteln neuer Charakterkonzepte ist ein Spiel im Spiel.
Die aktive und leidenschaftliche Community trägt ebenfalls maßgeblich dazu bei. Ob es um Hilfsangebote im Multiplayer, den Austausch über Lore-Details, das Teilen von Build-Guides oder Memes geht – die Elden Ring-Community ist lebendig. Und natürlich: die Vorfreude auf das kommende DLC „Shadow of the Erdtree”. Die Ankündigung hat die Spielerbasis wiederbelebt und zeigt, dass das Zwischenland noch längst nicht alle seine Geschichten erzählt hat.
Meisterwerk oder Frust-Festival? Ein differenziertes Fazit
Die Frage, ob Elden Ring ein Meisterwerk oder ein Frust-Festival ist, lässt sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Es ist beides, und genau diese Dualität macht es so faszinierend. Die Momente der Entdeckung, der Ehrfurcht vor der Welt und die Triumphgefühle nach einem harten Bosskampf sind unbestreitbar die Eckpfeiler eines Meisterwerks. Die unvergleichliche Atmosphäre, die detaillierte Lore und die unübertroffene Freiheit, die es bietet, heben es über viele andere Spiele hinaus.
Gleichzeitig können die repetitiven Dungeons, die bisweilen fragwürdigen Designentscheidungen im späten Spiel und die frustrierenden Hitboxen den Spielspaß trüben und durchaus zu einem Frust-Festival ausarten. Diese Schwächen sind jedoch oft Auswüchse der schieren Größe des Spiels und schmälern kaum das Gesamtbild. Für viele Spieler, mich eingeschlossen, überwiegen die positiven Erfahrungen bei Weitem die negativen.
Nach all der Zeit steht fest: Elden Ring hat das Action-RPG-Genre neu definiert und gezeigt, wie eine offene Welt nahtlos in ein etabliertes Gameplay-Design integriert werden kann, ohne dessen Essenz zu verlieren. Es ist ein Spiel, das man immer wieder deinstalliert, nur um es Wochen später wieder zu starten, weil die Erinnerung an seine Schönheit und seine Herausforderungen zu stark ist. Es ist ein Spiel, das polarisiert, aber niemanden kaltlässt. Und genau das ist das Markenzeichen eines wahren Klassikers.
Ausblick: Das Erbe von Elden Ring
Elden Ring hat zweifellos einen bleibenden Eindruck in der Gaming-Landschaft hinterlassen. Es hat bewiesen, dass ein hohes Schwierigkeitsniveau und komplexe Mechaniken nicht im Widerspruch zu kommerziellem Erfolg stehen müssen, solange das Spielerlebnis fesselnd und lohnend ist. Es hat andere Entwickler inspiriert und wird wahrscheinlich für Jahre als Blaupause für anspruchsvolle Open-World-Spiele dienen. Mit dem kommenden DLC wird die Reise im Zwischenland fortgesetzt, und ich bin überzeugt, dass es uns erneut in seinen Bann ziehen wird – sei es durch triumphale Siege oder frustrierende Niederlagen. Am Ende des Tages bleibt Elden Ring ein unvergessliches Abenteuer, das seinen Platz unter den größten Spielen aller Zeiten redlich verdient hat.