Seit seiner Ankündigung hat Lies of P die Gaming-Welt in Aufruhr versetzt. Ein Souls-like-Spiel, das die düstere Geschichte von Pinocchio neu interpretiert, angesiedelt in einer atemberaubenden Steampunk-Welt – das klingt nach einem Traum für Fans des Genres. Doch hält das Spiel, was die Vorschusslorbeeren versprechen? Wir haben uns tief in die viktorianisch angehauchte Metropole Krat begeben, uns unzähligen mechanischen Schrecken gestellt und die „Lügen-Mechanik“ auf Herz und Nieren geprüft. Ob sich der Sofortkauf lohnt oder ob ihr lieber auf ein Schnäppchen warten solltet, verrät euch unser ausführlicher Test.
Einleitung: Der dunkle Märchen-Albtraum
Die Faszination für FromSoftwares Souls-like-Spiele ist ungebrochen. Der Markt ist überschwemmt mit Titeln, die versuchen, das Erfolgsrezept zu kopieren. Doch nur wenige schaffen es, eine eigene Identität zu entwickeln. Hier kommt Lies of P ins Spiel. Entwickelt vom koreanischen Studio Round8, verspricht es nicht nur die genretypische, knallharte Herausforderung, sondern auch eine einzigartige narrative Prämisse: Eine dunkle Neuerzählung von Carlo Collodis „Pinocchio“, in der ihr als Marionette P auf der Suche nach Geppetto seid und Menschlichkeit durch Lügen erlangen müsst. Das Setting einer von mechanischen Wesen überrannten Belle Époque-Stadt ist visuell beeindruckend und weckt sofort das Interesse. Aber ist die innovative Prämisse genug, um sich von der Konkurrenz abzuheben und eine echte Empfehlung zu sein?
Was macht Lies of P einzigartig? Die Pinocchio-Variante
Der wohl größte Reiz von Lies of P liegt in seiner einzigartigen Ästhetik und Prämisse. Statt Drachen, Dämonen oder außerirdischen Schrecken trefft ihr auf außer Kontrolle geratene Marionetten und die biologischen Schrecken der „Fluch-Krankheit”. Die Stadt Krat ist eine Meisterleistung des Art-Designs: eine viktorianisch-steampunkige Kulisse, die an Bloodborne erinnert, aber mit ihrem eigenen morbiden Charme glänzt. Die Liebe zum Detail in den Umgebungen, von prächtigen Opernhäusern bis zu verfallenen Fabriken, ist atemberaubend. Die düstere, melancholische Atmosphäre wird durch den exzellenten Soundtrack perfekt untermalt, der sowohl treibende Kampfmusik als auch bedrückende Erkundungsthemen bietet. Das Pinocchio-Märchen als Grundlage für ein Souls-like ist eine geniale Idee und wird mit einer erfrischenden Ernsthaftigkeit umgesetzt, die den bekannten Stoff in ein völlig neues Licht rückt. Die Geschichte ist nicht einfach nur ein Gimmick, sondern tief in das Gameplay und die Welt verwoben.
Das Herzstück: Das ausgefeilte Kampfsystem
Ein Souls-like steht und fällt mit seinem Kampfsystem, und hier liefert Lies of P ab. Ihr steuert P, eine hochentwickelte Kampfmarionette, die mit einer Vielzahl von Waffen und speziellen Fähigkeiten ausgestattet ist. Das Kampfsystem ist schnell, präzise und erfordert höchste Konzentration. Herzstück ist der „perfekte Block” (Perfect Guard), der an Sekiro erinnert: Blockt ihr im richtigen Moment, zerbrecht ihr die Waffe des Gegners (wenn auch nur vorübergehend) und fügt ihm massiven Schaden zu. Verpasst ihr den Zeitpunkt, nehmt ihr Schaden, der aber oft durch schnelle Angriffe wieder zurückgewonnen werden kann – ein Mechanismus, der an Bloodborne erinnert. Diese Mischung aus Offensive und Defensive ist der Schlüssel zum Erfolg.
Die Waffen sind ebenfalls ein Highlight. Jede Waffe besteht aus einer Klinge und einem Griff, die ihr beliebig kombinieren könnt. So könnt ihr beispielsweise eine schnelle Klinge an einen Griff mit hohem Schaden und langsamer Bewegung anbringen, um eure individuelle Kampfweise zu optimieren. Jede Waffe verfügt zudem über zwei einzigartige „Fable Arts” – Spezialangriffe, die mächtig sind, aber eine Leiste verbrauchen. Hinzu kommt der „Legion Arm”, Ps austauschbarer Prothesenarm, der verschiedene Funktionen bietet: vom Flammenwerfer über eine Elektroschock-Kanone bis hin zum Enterhaken. Diese Vielfalt ermöglicht enorme taktische Tiefe und Experimentierfreude. Das „Stagger”-System, bei dem ihr Gegner nach genügend Angriffen oder perfekten Blöcken betäuben könnt, um einen vernichtenden „Fatal Attack” auszuführen, rundet das exzellente Kampferlebnis ab. Es ist fordernd, aber unglaublich befriedigend, wenn man es gemeistert hat.
Die Welt von Krat: Eine Steampunk-Dystopie zum Entdecken
Die Level in Lies of P sind linearer als in einigen FromSoftware-Spielen, aber keineswegs schlauchig. Sie sind meisterhaft miteinander verwoben, bieten Abkürzungen und Geheimnisse, die zum Erkunden einladen. Das Level-Design erinnert stark an das klassische Souls-Level-Design und ist voller verschachtelter Pfade und clever platzierter Fallen. Visuell ist das Spiel eine Wucht. Die Texturen sind scharf, die Lichteffekte stimmungsvoll und die Charaktermodelle beeindruckend. Besonders hervorzuheben ist das Design der Gegner: Die Marionetten sind gleichermaßen faszinierend wie furchterregend, von kleinen, flinken Angreifern bis hin zu riesigen mechanischen Bestien. Jeder Gegnertyp hat seine eigenen Angriffsmuster, die es zu lernen gilt. Die Bosskämpfe sind episch inszeniert und fordern alles von euch ab. Sie sind oft in mehrere Phasen unterteilt und erfordern Präzision und Geduld. Krat ist eine Welt, in die man gerne eintaucht – trotz all ihres Leids und ihrer Gefahren.
Die Lüge, die Wahrheit und die Menschlichkeit: Die Story im Detail
Die Geschichte von Lies of P ist überraschend tiefgründig und emotional. Als Marionette P erwacht ihr in einer Welt, in der Marionetten Amok laufen und die Menschheit dezimiert wird. Eure Mission: Geppetto finden und die Wahrheit hinter dem Chaos aufdecken. Das zentrale narrative Element ist die „Lügen-Mechanik”. Im Laufe des Spiels werdet ihr immer wieder vor moralische Entscheidungen gestellt, bei denen ihr die Wahl habt, die Wahrheit zu sagen oder zu lügen. Diese Entscheidungen beeinflussen nicht nur den Verlauf der Geschichte und die Beziehung zu anderen Charakteren, sondern auch P’s Menschlichkeit, was sich wiederum auf bestimmte Gameplay-Elemente und letztendlich auf das Ende des Spiels auswirkt. Diese Mechanik ist hervorragend in das Spiel integriert und verleiht der Geschichte eine persönliche Note, die über das übliche Souls-like-Schema hinausgeht. Die Charaktere, denen ihr begegnet, sind gut geschrieben und tragen zur düsteren, aber hoffnungsvollen Atmosphäre bei.
Technik & Performance: Läuft es rund?
Ein so anspruchsvolles Spiel braucht auch eine solide technische Basis. Lies of P läuft auf den aktuellen Konsolen (PS5, Xbox Series X/S) und dem PC weitestgehend hervorragend. Auf PS5 und Xbox Series X wird ein Performance-Modus mit stabilen 60 FPS angeboten, der für das schnelle Kampfsystem unerlässlich ist. Der Qualitätsmodus bietet eine höhere Auflösung und Raytracing, aber der Framerate-Einbruch ist für ein Souls-like meist nicht empfehlenswert. Auf dem PC ist die Performance stark von der Hardware abhängig, aber gut optimiert. Kleinere Bugs und Glitches sind selten und fallen kaum ins Gewicht. Besonders hervorzuheben ist der Sound: Die Geräuschkulisse der tickenden und klappernden Marionetten, die metallischen Klänge der Kämpfe und der melancholische Soundtrack schaffen eine dichte und immersive Akustik. Die deutsche Sprachausgabe ist solide, auch wenn wir die englische Vertonung oft bevorzugt haben.
Der Schwierigkeitsgrad: Gnadenlos, aber fair?
Wie jedes gute Souls-like ist auch Lies of P gnadenlos. Sterben werdet ihr oft, sehr oft. Doch der Schwierigkeitsgrad fühlt sich meist fair an. Wer die Muster der Gegner lernt, das Kampfsystem beherrscht und Geduld mitbringt, wird belohnt. Das Spiel verzeiht keine Fehler, aber es fühlt sich selten wirklich unfair an. Gelegentliche Frustmomente gibt es natürlich, besonders bei den Bosskämpfen, die oft eine Perfektion des Kampfsystems verlangen. Die Lernkurve ist steil, aber das Gefühl, einen schwierigen Boss nach vielen Versuchen endlich besiegt zu haben, ist unvergleichlich befriedigend. Das Spiel bietet keine Schwierigkeitsgrade, aber die Möglichkeit, Waffen zu modifizieren und Ps „P-Organ”-System (ein Talentbaum, der verschiedene passive Boni freischaltet) anzupassen, ermöglicht eine gewisse Personalisierung des Spielerlebnisses. Es ist eine Herausforderung, die Hardcore-Fans des Genres lieben werden, aber für Neulinge eine hohe Hürde darstellen könnte.
Wiederspielwert & Spielzeit: Was kommt nach dem ersten Durchlauf?
Der erste Durchlauf von Lies of P wird euch je nach Spielweise und Geschick etwa 30 bis 40 Stunden fordern, um alle Geheimnisse zu lüften und die Geschichte zu erleben. Wer einfach nur durchrusht, wird wahrscheinlich etwas weniger Zeit benötigen. Aber damit ist die Reise nicht vorbei! Wie es sich für ein Souls-like gehört, bietet Lies of P einen New Game Plus-Modus (NG+), der nicht nur den Schwierigkeitsgrad erhöht, sondern auch neue Ausrüstung, verbesserte Bosse und sogar kleine Änderungen in der Spielwelt und der Geschichte einführt. Angesichts der „Lügen-Mechanik” und den damit verbundenen unterschiedlichen Enden ist der Wiederspielwert enorm. Es lohnt sich definitiv, das Spiel mehrfach zu spielen, um alle Facetten der Geschichte und die verschiedenen moralischen Entscheidungen zu erleben. Wer also das volle narrative Spektrum erleben möchte, wird viele Stunden in Krat verbringen.
Lies of P: Die Pros und Contras auf einen Blick
PROS:
- Faszinierendes, einzigartiges Setting und Art-Design (dunkles Pinocchio meets Steampunk).
- Exzellentes, tiefgründiges und befriedigendes Kampfsystem mit vielen Anpassungsmöglichkeiten.
- Atmosphärische und detailverliebte Welt (Krat) mit cleverem Level-Design.
- Spannende, emotionale Geschichte mit einer innovativen „Lügen-Mechanik”.
- Herausfordernder, aber fairer Schwierigkeitsgrad (für Genre-Fans).
- Beeindruckende Grafik und Soundkulisse.
- Hoher Wiederspielwert durch NG+ und verschiedene Enden.
CONTRAS:
- Hohe Einstiegshürde für Souls-like-Neulinge.
- Gelegentliche Frustmomente durch besonders anspruchsvolle Bosskämpfe.
- Lineareres Level-Design als bei einigen Genre-Vorbildern (aber immer noch sehr gut).
- Manche Gameplay-Mechaniken sind stark an FromSoftware-Titel angelehnt, was zu mangelnder Originalität in manchen Aspekten führen könnte.
Unser Fazit: Kaufen oder Warten? Die große Entscheidung
Die Antwort ist eindeutig: Für Fans von Souls-like-Spielen und Spieler, die eine frische, düstere und fesselnde Geschichte suchen, ist Lies of P ein absoluter Pflichtkauf. Es ist nicht nur eine weitere Kopie, sondern ein eigenständiges Meisterwerk, das sich mit seinen einzigartigen Mechaniken, dem fantastischen Setting und der emotionalen Story von der Masse abhebt. Das Kampfsystem ist brillant, die Welt ist zum Verlieben (und Verzweifeln), und die Geschichte bleibt lange in Erinnerung.
Wenn ihr also bereit seid für eine herausfordernde, aber äußerst lohnende Reise durch eine von Schrecken geplagte Stadt, dann zögert nicht: Kauft Lies of P jetzt! Es ist ein absolutes Highlight des Jahres und ein Beweis dafür, dass das Souls-like-Genre noch viel Potenzial für Innovationen birgt. Ihr werdet es nicht bereuen.
Wer sollte warten? Wenn ihr noch nie ein Souls-like gespielt habt und unsicher seid, ob der hohe Schwierigkeitsgrad etwas für euch ist, könnte es ratsam sein, auf einen Sale zu warten. Auch Spieler, die eine komplett entspannte Spielerfahrung suchen, sollten einen Bogen um Lies of P machen. Aber für alle anderen gilt: Dieses Spiel ist ein echter Geheimtipp, der seinen Platz neben den Größen des Genres verdient hat.