In der schillernden Welt der Computer-Rollenspiele gibt es wenige Namen, die so viel Respekt und Bewunderung hervorrufen wie Larian Studios. Dieses belgische Entwicklerteam hat sich nicht nur einen Namen gemacht, sondern auch zwei der erfolgreichsten und von der Kritik gefeiertsten RPGs der letzten Jahre hervorgebracht: **Divinity: Original Sin 2** (DOS2) und **Baldur’s Gate 3** (BG3). Beide Spiele werden für ihre tiefgründigen Systeme, ihre immersive Welt und nicht zuletzt für ihre fesselnden Geschichten gelobt. Doch die Frage, die unter Fans immer wieder aufkommt, lautet: Welches dieser Meisterwerke bietet storymäßig das bessere Erlebnis? Eine einfache Antwort gibt es nicht, denn beide Spiele verfolgen unterschiedliche narrative Ansätze und Stärken. Tauchen wir ein in den epischen Vergleich.
### Einleitung: Zwei Larian-Meisterwerke, zwei Erzählstrategien
Der Erfolg von Larian Studios ist untrennbar mit ihrer Fähigkeit verbunden, Welten zum Leben zu erwecken und Geschichten zu erzählen, die Spieler gleichermaßen fesseln und herausfordern. Während **Divinity: Original Sin 2** im Jahr 2017 erschien und schnell zum Goldstandard für isometrische RPGs avancierte, setzte **Baldur’s Gate 3** im Jahr 2023 neue Maßstäbe für das gesamte Genre, insbesondere in Bezug auf Präsentation und Spielerentscheidungen. Beide Spiele sind kolossal in ihrem Umfang, ihrer Detailverliebtheit und der Tiefe ihrer Spielsysteme. Doch wenn wir uns ausschließlich auf die narrative Qualität konzentrieren, treten feine, aber entscheidende Unterschiede zutage. Diese Unterschiede sind nicht nur auf die jeweiligen Universen – Rivellon für DOS2 und die Vergessenen Reiche für BG3 – zurückzuführen, sondern auch auf Larians Weiterentwicklung als Geschichtenerzähler.
### Baldur’s Gate 3: Eine tiefere, persönlichere Reise in die Abgründe der Seele
**Baldur’s Gate 3** katapultiert den Spieler von der ersten Sekunde an in ein atemberaubendes Abenteuer. Der zentrale Konflikt dreht sich um einen parasitären Illithiden-Parasiten, der sich im Gehirn des Protagonisten und seiner Begleiter eingenistet hat. Diese Prämisse ist nicht nur ein hervorragender Aufhänger für die Handlung, sondern auch ein Motor für **tiefgehende Charakterentwicklung** und moralische Dilemmata. Der Kampf gegen die Transformation, das Streben nach Heilung und die Entdeckung der wahren Natur des Parasiten bilden den roten Faden, der sich durch alle drei Akte zieht.
Ein herausragendes Merkmal von BG3 ist die Qualität seiner **Begleitercharaktere**. Jeder Begleiter hat eine reichhaltige Hintergrundgeschichte, komplexe Motivationen und eigene Questreihen, die oft mit der Hauptgeschichte verwoben sind. Charaktere wie Astarion, Shadowheart, Gale oder Lae’zel sind nicht nur nützliche Kampfgefährten; sie sind vollwertige Persönlichkeiten mit eigenen Ängsten, Träumen und Geheimnissen. Ihre Interaktionen untereinander und mit dem Spieler sind brillant geschrieben und voll vertont. Die **Charakterbeziehungen** fühlen sich organisch an und entwickeln sich basierend auf den Entscheidungen des Spielers, was zu einem hohen Maß an Immersion führt. Ob man eine Romanze eingeht, Freundschaften schließt oder sich erbitterte Feinde macht – die emotionalen Auswirkungen sind spürbar.
Die **Story von Baldur’s Gate 3** ist zutiefst persönlich. Sie handelt von Identität, freiem Willen, der Überwindung von Trauma und der Suche nach Erlösung. Die Entscheidungen des Spielers haben weitreichende Konsequenzen, die sich nicht nur auf den Verlauf der Handlung, sondern auch auf die Schicksale der Charaktere und sogar auf ganze Regionen der Vergessenen Reiche auswirken. Das **D&D-Regelwerk** bildet hierbei eine solide Grundlage, indem es den Spielern eine enorme Freiheit bei der Problemlösung und der Gestaltung ihrer Geschichte bietet. Die Inszenierung ist dabei cineastisch, mit Motion-Capture-Animationen und tausenden von Dialogzeilen, die jede Entscheidung und jedes Gespräch zu einem Erlebnis machen. Die Geschichte ist oft düster, aber gespickt mit Momenten des Humors, der Hoffnung und der Menschlichkeit.
### Divinity: Original Sin 2: Eine epische Odyssee der Auserwählten
**Divinity: Original Sin 2** entführt die Spieler in die fantastische Welt von Rivellon, einer Welt, die von magischer Energie – der Quelle – durchdrungen ist. Die Geschichte beginnt als Flüchtlinge, die auf der gefängnisähnlichen Insel Fort Joy landen, weil sie Quellmagie besitzen. Der zentrale Konflikt ist der Kampf um die Göttlichkeit, da der aktuelle Göttliche tot ist und eine Leere hinterlässt, die die Welt dem Chaos preisgibt. Der Protagonist und seine potenziellen Begleiter sind „Auserwählte”, die das Potenzial haben, der nächste Göttliche zu werden.
Die **Erzählung von DOS2** ist von einem epischen Ausmaß geprägt. Sie handelt von Schicksal, Macht, Verantwortung und den ethischen Implikationen des Göttlichen. Im Gegensatz zu BG3, wo der Parasit eine sehr intime Bedrohung darstellt, ist die Bedrohung in DOS2 globaler und existenzieller. Die Spieler sind nicht nur auf der Suche nach einer persönlichen Heilung, sondern kämpfen um das Schicksal einer ganzen Welt. Die **Welt von Rivellon** ist reich an Lore, Geschichte und verschiedenen Fraktionen, deren Interessen sich oft kreuzen. Die Entscheidungen des Spielers haben hier oft Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Mächte und das Wohlergehen ganzer Völker.
**DOS2 bietet eine enorme Freiheit** in Bezug auf die Charakterentwicklung und die Herangehensweise an Quests. Das Spiel belohnt kreatives Denken und Experimente. Die **Origin Characters** in DOS2 sind ebenfalls tiefgründig und haben ihre eigenen Motivationen, die oft im Widerspruch zu den Zielen der Gruppe stehen können. Charaktere wie Fane, Lohse oder Ifan Ben-Mezd haben einzigartige Perspektiven auf die Welt und die Ereignisse, die die Erzählung bereichern. Die Möglichkeit, als einer dieser Origin-Charaktere zu spielen, bietet einen einzigartigen Wiederspielwert, da sich die Geschichte je nach gewähltem Ursprung stark unterscheidet. Die **Storyentwicklung** ist oft nicht so cineastisch wie in BG3, sondern eher textbasiert und bietet Raum für eigene Interpretationen und Vorstellungen. Der Humor in DOS2 ist oft skurriler und präsenter, was der düsteren Thematik eine einzigartige Note verleiht.
### Der direkte Vergleich: Unterschiede und Stärken der Erzählweisen
Wo liegt nun der Unterschied in der **narrativen Qualität**?
1. **Narrativer Fokus:**
* **Baldur’s Gate 3:** Konzentriert sich auf eine persönlichere, charaktergetriebene Erzählung. Der Konflikt ist intrinsisch mit dem Protagonisten und seinen Begleitern verbunden. Die Bedrohung durch den Parasiten ist eine ständige, greifbare Präsenz, die die Dringlichkeit erhöht. Die Geschichte ist enger gefasst, aber dafür umso intensiver in ihrer Ausführung.
* **Divinity: Original Sin 2:** Bietet eine breitere, epischere Geschichte, die sich um das Schicksal der Welt Rivellon und die Rolle des Spielers als potenzieller Gott dreht. Der Fokus liegt mehr auf dem größeren Ganzen und den Auswirkungen auf die Welt.
2. **Charaktertiefe und Interaktion:**
* **Baldur’s Gate 3:** Setzt neue Maßstäbe für die Präsentation von Begleitern. Ihre Geschichten sind tief verwoben, ihre Romanzen und Freundschaften fühlen sich echt an, und ihre Reaktionen auf die Entscheidungen des Spielers sind unglaublich detailliert. Die vielen Zwischensequenzen und die vollständige Vertonung tragen maßgeblich zur Immersion bei.
* **Divinity: Original Sin 2:** Hat ebenfalls exzellente Origin-Charaktere, deren Geschichten einzigartig und fesselnd sind. Das Spiel bietet auch hier eine große Auswahl an Interaktionen und Entscheidungen. Die Präsentation ist jedoch weniger cineastisch, und die Beziehungen entwickeln sich mehr durch Text und Entscheidungen als durch aufwendige Zwischensequenzen. Die Möglichkeit, als Origin-Charakter zu spielen, ist hier ein klarer Pluspunkt für den Wiederspielwert der Story.
3. **Entscheidungen und Konsequenzen:**
* Beide Spiele glänzen in diesem Bereich, jedoch auf unterschiedliche Weise.
* **Baldur’s Gate 3:** Jede Entscheidung, ob in Dialogen oder im Kampf, kann weitreichende und oft unvorhersehbare Auswirkungen haben. Die verzweigten Pfade der Geschichte sind beeindruckend und fördern ein Gefühl der Spieleragentur, das seinesgleichen sucht. Die Entscheidungen fühlen sich oft sehr persönlich und moralisch gewichtig an.
* **Divinity: Original Sin 2:** Bietet eine ähnliche Tiefe an Entscheidungen, die sich oft auf ganze Fraktionen oder die politische Landschaft Rivellons auswirken. Die Freiheit, Quests auf unkonventionelle Weise zu lösen, ist ein Markenzeichen. Die Konsequenzen sind oft systemischer und weniger auf einzelne Charaktere fixiert als in BG3.
4. **Tonalität und Atmosphäre:**
* **Baldur’s Gate 3:** Eine reifere, oft düsterere und ernstere Tonalität, die aber geschickt mit Humor und Hoffnung durchsetzt ist. Die Bedrohung ist omnipräsent, und die moralischen Graustufen sind tief.
* **Divinity: Original Sin 2:** Eine Mischung aus ernsten, epischen Themen und einem charakteristischen, oft skurrilen Humor. Die Welt ist lebendig und voller eigenartiger Persönlichkeiten, was eine einzigartige, charmante Atmosphäre schafft.
### Fazit: Es kommt auf die Präferenz an
Die Frage, ob **Baldur’s Gate 3 oder Divinity Original Sin 2 storymäßig** das bessere Spiel ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Beide Spiele sind absolute Meisterwerke der **Rollenspiel-Geschichte** und bieten Erzählungen von höchster Qualität.
* Wer eine **tiefgründige, persönliche und cineastisch inszenierte Geschichte** mit komplexen Charakterbeziehungen sucht, in der jede Entscheidung schwer wiegt und der Fokus auf dem Überleben und der Entwicklung der Protagonisten liegt, der wird **Baldur’s Gate 3** als das überlegene narrative Erlebnis empfinden. Die Immersion durch die technische Umsetzung, das Voice Acting und die Animationen ist unübertroffen. Die **Charakterentwicklung** ist hier auf einem neuen Level.
* Wer eine **epische High-Fantasy-Odyssee** bevorzugt, die das Schicksal einer ganzen Welt umfasst, mit viel Lore, freier Erkundung und der Möglichkeit, seine eigene Gottwerdung zu gestalten, der wird in **Divinity: Original Sin 2** das überzeugendere Spiel finden. Die Freiheit, die Geschichte durch die Augen verschiedener Origin-Charaktere zu erleben, und der einzigartige, oft humorvolle Ton machen es zu einem unverwechselbaren Erlebnis. Der **Tiefgang der Erzählung** und die kreative Freiheit sind hier die größten Stärken.
Im Endeffekt hängt die Wahl vom individuellen Geschmack ab. Beide Titel sind brillante Beispiele dafür, was in modernen RPGs erzählerisch möglich ist. Sie repräsentieren unterschiedliche, aber gleichermaßen gültige Ansätze, packende Geschichten zu erzählen. Larian Studios hat mit beiden Spielen bewiesen, dass sie zu den besten Geschichtenerzählern in der Videospielbranche gehören. Man kann sich glücklich schätzen, dass es beide gibt, und jede für sich bietet eine unvergessliche **Fantasy-Rollenspiel-Geschichte**. Der wahre Gewinner dieses Kampfes sind die Spieler selbst, die sich in zwei außergewöhnliche Welten stürzen können.