Herzlichen Glückwunsch, Sie haben ein Jobangebot! Nach Vorstellungsgesprächen und vielleicht sogar einer Probezeit halten Sie nun Ihren Arbeitsvertrag in den Händen. Aber Moment mal, vorab gab es doch auch eine mündliche Vereinbarung. Was passiert, wenn die schriftliche Fassung von dem abweicht, was Ihnen zugesagt wurde? Gilt der mündliche Vertrag trotzdem noch? Diese Frage ist komplex und birgt einige Fallstricke. In diesem Artikel beleuchten wir die Rechtslage, klären Ihre Rechte und geben Ihnen wertvolle Tipps, wie Sie sich in dieser Situation am besten verhalten.
Die Gültigkeit mündlicher Arbeitsverträge
Grundsätzlich gilt: Auch mündliche Arbeitsverträge sind in Deutschland rechtsgültig. Das bedeutet, dass eine Vereinbarung, die Sie mit Ihrem zukünftigen Arbeitgeber getroffen haben, auch ohne schriftliche Fixierung bindend sein kann. Allerdings gibt es hier einen entscheidenden Haken: die Beweisbarkeit.
Im Streitfall müssen Sie nachweisen, dass der mündliche Vertrag tatsächlich geschlossen wurde und welche Inhalte er hatte. Das ist oft schwierig, denn Aussagen stehen gegen Aussagen. Zeugen können helfen, sind aber selten vorhanden.
Dennoch sollten Sie sich nicht entmutigen lassen. Es gibt durchaus Situationen, in denen ein mündlicher Vertrag Vorrang vor einem späteren schriftlichen Vertrag haben kann.
Wann der mündliche Vertrag relevant bleibt
Der mündliche Vertrag kann weiterhin relevant sein, wenn:
* **Abweichungen zum schriftlichen Vertrag bestehen:** Der zugesandte Arbeitsvertrag weicht von den im Vorfeld mündlich besprochenen Konditionen ab (z.B. Gehalt, Arbeitszeiten, Aufgabenbereich).
* **Zusicherungen gemacht wurden:** Ihnen wurden im Vorstellungsgespräch oder in einem anderen Gespräch bestimmte Leistungen oder Vorteile zugesichert, die im schriftlichen Vertrag fehlen oder anders dargestellt werden.
* **Der schriftliche Vertrag unvollständig ist:** Der schriftliche Vertrag lässt wesentliche Punkte offen, die mündlich bereits geklärt wurden.
In all diesen Fällen sollten Sie genauer hinsehen und aktiv werden.
Was tun, wenn der schriftliche Vertrag abweicht?
Wenn Sie den Arbeitsvertrag erhalten und feststellen, dass er von den mündlich getroffenen Vereinbarungen abweicht, sollten Sie folgende Schritte unternehmen:
1. **Ruhe bewahren:** Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen, den Vertrag sofort zu unterschreiben. Nehmen Sie sich Zeit, den Vertrag sorgfältig zu prüfen.
2. **Abweichungen dokumentieren:** Notieren Sie alle Punkte, in denen der schriftliche Vertrag von den mündlichen Zusagen abweicht. Sammeln Sie Beweise, falls vorhanden (z.B. E-Mails, Notizen vom Vorstellungsgespräch).
3. **Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen:** Sprechen Sie offen und konstruktiv mit Ihrem zukünftigen Arbeitgeber über die Abweichungen. Erklären Sie, welche Vereinbarungen getroffen wurden und warum Sie eine Anpassung des Vertrags wünschen.
4. **Kompromissbereitschaft zeigen:** Seien Sie bereit, Kompromisse einzugehen. Vielleicht lässt sich eine Lösung finden, die für beide Seiten akzeptabel ist.
5. **Schriftliche Bestätigung fordern:** Vereinbaren Sie Änderungen am Arbeitsvertrag nur schriftlich. Lassen Sie sich die geänderten Bedingungen im Vertrag bestätigen oder erstellen Sie ein separates Zusatzdokument.
6. **Rechtlichen Rat einholen:** Wenn Sie unsicher sind oder der Arbeitgeber nicht kompromissbereit ist, sollten Sie sich rechtlichen Rat bei einem Anwalt für Arbeitsrecht einholen.
Die Beweislast beim mündlichen Arbeitsvertrag
Wie bereits erwähnt, liegt die Beweislast für den Inhalt eines mündlichen Arbeitsvertrags in der Regel beim Arbeitnehmer. Das bedeutet, dass Sie im Streitfall beweisen müssen, welche Vereinbarungen getroffen wurden.
Um Ihre Position zu stärken, sollten Sie folgende Tipps beherzigen:
* **Notizen anfertigen:** Machen Sie sich während und nach dem Vorstellungsgespräch detaillierte Notizen über alle besprochenen Punkte.
* **E-Mails sichern:** Bewahren Sie alle E-Mails und andere schriftliche Kommunikation mit dem Arbeitgeber auf. Diese können als Beweismittel dienen.
* **Zeugen benennen:** Wenn es Zeugen für die mündlichen Vereinbarungen gibt (z.B. andere Bewerber, Mitarbeiter des Unternehmens), notieren Sie deren Namen und Kontaktdaten.
* **Protokoll führen:** Führen Sie ein Protokoll über alle Gespräche und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber.
Sonderfall: Widerruf von Jobangeboten
Ein einmal gegebenes Jobangebot ist grundsätzlich bindend. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber es nicht einfach zurückziehen kann. Es gibt jedoch Ausnahmen, zum Beispiel wenn schwerwiegende Gründe vorliegen (z.B. Insolvenz des Unternehmens).
Ein Widerruf des Jobangebots kann Schadensersatzansprüche auslösen. Sie haben möglicherweise Anspruch auf Ersatz des Schadens, der Ihnen durch den Widerruf entstanden ist (z.B. entgangener Verdienst, Bewerbungskosten).
Formvorschriften beim Arbeitsvertrag
Das Gesetz schreibt für den Abschluss eines Arbeitsvertrags grundsätzlich keine bestimmte Form vor. Wie bereits erwähnt, sind auch mündliche Verträge gültig. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn das Gesetz oder ein Tarifvertrag eine Schriftform vorschreibt, ist der mündliche Vertrag unwirksam.
Darüber hinaus besteht eine Nachweispflicht gemäß § 2 Nachweisgesetz. Danach muss der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festhalten und dem Arbeitnehmer aushändigen. Diese Nachweispflicht dient der Transparenz und soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sich über seine Rechte und Pflichten zu informieren.
Die Bedeutung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können die Bedingungen des Arbeitsvertrags ergänzen oder abändern. Es ist daher wichtig, zu prüfen, ob in Ihrem Unternehmen ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung gilt.
Tarifverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt und regeln beispielsweise Gehalt, Arbeitszeit und Urlaubsanspruch. Betriebsvereinbarungen werden zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber geschlossen und können beispielsweise Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung, zum Gesundheitsschutz oder zur Nutzung von Firmeneigentum enthalten.
Fazit: Vorsicht ist besser als Nachsicht
Die Frage, ob ein mündlicher Vertrag trotz eines zugesandten Arbeitsvertrags noch gilt, ist komplex und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich sind mündliche Vereinbarungen bindend, allerdings ist die Beweisbarkeit oft schwierig.
Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Sie:
* Alle Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber schriftlich festhalten.
* Den Arbeitsvertrag sorgfältig prüfen, bevor Sie ihn unterschreiben.
* Abweichungen zum mündlichen Vertrag dokumentieren und mit dem Arbeitgeber besprechen.
* Sich im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen.
Indem Sie diese Tipps beherzigen, können Sie Ihre Rechte schützen und sicherstellen, dass Ihre Arbeitsbedingungen Ihren Erwartungen entsprechen. Ein neuer Job sollte ein positiver Schritt sein, und eine sorgfältige Prüfung des Arbeitsvertrags ist ein wichtiger Teil davon.