Ein Arbeitszeugnis ist mehr als nur ein Stück Papier. Es ist eine wichtige Visitenkarte für Ihre berufliche Zukunft. Es fasst Ihre Leistungen, Ihr Verhalten und Ihre Kompetenzen während Ihrer Beschäftigungszeit zusammen. Aber was bedeuten die oft sehr förmlichen und codierten Formulierungen wirklich? Dieser Artikel entschlüsselt die Geheimnisse hinter Ihrem Zeugnis und hilft Ihnen, die wahre Bedeutung der einzelnen Abschnitte zu verstehen.
Warum sind Zeugnisse so wichtig?
Arbeitszeugnisse dienen nicht nur der Dokumentation Ihrer bisherigen Tätigkeiten. Sie sind ein entscheidendes Element im Bewerbungsprozess. Personaler nutzen sie, um einen umfassenden Eindruck von Ihnen zu gewinnen, Ihre Stärken und Schwächen einzuschätzen und Ihre Passung für die offene Stelle zu beurteilen. Ein gutes Zeugnis kann Ihnen Türen öffnen, während ein schlechtes Ihre Chancen erheblich schmälern kann.
Die Struktur eines Arbeitszeugnisses
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis besteht in der Regel aus folgenden Hauptbestandteilen:
- Einleitung: Enthält die persönlichen Daten des Arbeitnehmers (Name, Geburtsdatum, etc.) und die Dauer der Beschäftigung.
- Tätigkeitsbeschreibung: Beschreibt detailliert die Aufgaben und Verantwortlichkeiten des Arbeitnehmers.
- Leistungsbeurteilung: Bewertet die erbrachten Leistungen des Arbeitnehmers, seine Arbeitsweise, sein Fachwissen und seine Erfolge.
- Verhaltensbeurteilung: Beurteilt das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden.
- Schlussformel: Enthält den Dank für die geleistete Arbeit, das Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers und die Wünsche für die Zukunft.
Die Leistungsbeurteilung: Kernstück des Zeugnisses
Die Leistungsbeurteilung ist zweifellos der wichtigste Teil des Zeugnisses. Hier werden Ihre Kompetenzen und Leistungen bewertet. Die Formulierungen sind oft sehr subtil, daher ist es wichtig, die versteckten Botschaften zu erkennen. Die üblichen Bewertungsstufen sind:
- Sehr gut: „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit”, „immer in allerbester Weise”, „übertraf unsere Erwartungen stets”
- Gut: „stets zu unserer vollen Zufriedenheit”, „immer in bester Weise”, „erfüllte unsere Erwartungen stets”
- Befriedigend: „zu unserer vollen Zufriedenheit”, „erfüllte unsere Erwartungen”
- Ausreichend: „im Allgemeinen zu unserer Zufriedenheit”, „erfüllte unsere Erwartungen im Wesentlichen”
- Mangelhaft: „war bemüht, die Aufgaben zu erfüllen”, „zeigte Engagement” (oft ein negatives Signal!)
Achten Sie auch auf Verstärker. Worte wie „besonders”, „ausgesprochen” oder „hervorragend” deuten auf eine sehr positive Bewertung hin. Das Fehlen solcher Verstärker kann ein Hinweis auf eine eher durchschnittliche Leistung sein.
Besondere Formulierungen und ihre Bedeutung
Einige Formulierungen sind besonders häufig und tragen eine spezifische Bedeutung:
- „Er/Sie war stets pünktlich und zuverlässig”: Dies kann bedeuten, dass der Arbeitnehmer zwar pünktlich und zuverlässig war, aber vielleicht keine herausragenden Leistungen erbracht hat.
- „Er/Sie hat sich bemüht, die Aufgaben zu erfüllen”: Dies ist eine sehr negative Formulierung und deutet darauf hin, dass der Arbeitnehmer die Aufgaben nicht erfolgreich bewältigt hat.
- „Er/Sie war ein geselliger Mitarbeiter”: Dies kann bedeuten, dass der Arbeitnehmer zwar beliebt war, aber seine Arbeitsleistung möglicherweise nicht im Vordergrund stand.
- „Er/Sie zeigte Verständnis für seine/ihre Aufgaben”: Dies ist eine sehr schwache Formulierung und deutet auf mangelnde Fachkenntnisse hin.
Die Verhaltensbeurteilung: Soziale Kompetenzen im Fokus
Die Verhaltensbeurteilung gibt Aufschluss über Ihre sozialen Kompetenzen und Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden. Auch hier gibt es bestimmte Formulierungen, die auf unterschiedliche Interpretationen hindeuten können. Eine positive Bewertung könnte lauten: „Sein/Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei.” Eine negative Formulierung könnte hingegen lauten: „Er/Sie war stets bemüht, ein gutes Verhältnis zu Kollegen zu pflegen” – dies deutet darauf hin, dass es möglicherweise Probleme im zwischenmenschlichen Bereich gab.
Die Schlussformel: Mehr als nur Dankesworte
Die Schlussformel ist oft ein guter Indikator für die Gesamtzufriedenheit des Arbeitgebers. Eine positive Schlussformel enthält in der Regel Dank für die geleistete Arbeit, das Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers und gute Wünsche für die Zukunft. Fehlen diese Elemente oder sind sie sehr kurz gehalten, kann dies ein Hinweis auf eine weniger positive Bewertung sein.
Beispiel einer sehr guten Schlussformel: „Wir danken Herrn/Frau [Name] für seine/ihre stets hervorragende Arbeit und sein/ihr Engagement. Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden sehr und wünschen ihm/ihr für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg.”
Was tun, wenn das Zeugnis nicht Ihren Erwartungen entspricht?
Wenn Sie mit Ihrem Arbeitszeugnis nicht zufrieden sind, haben Sie das Recht, Einspruch zu erheben und eine Korrektur zu fordern. Sprechen Sie zunächst mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber und erklären Sie Ihre Bedenken. Dokumentieren Sie Ihre Leistungen und Erfolge, um Ihre Argumentation zu untermauern. Wenn Sie sich nicht einigen können, können Sie rechtliche Schritte in Erwägung ziehen.
Tipps für Arbeitgeber: Wie schreibe ich ein gutes Zeugnis?
Auch für Arbeitgeber ist es wichtig, Arbeitszeugnisse korrekt und fair zu verfassen. Achten Sie auf eine objektive und wahrheitsgemäße Darstellung der Leistungen und des Verhaltens des Arbeitnehmers. Vermeiden Sie versteckte Botschaften und doppeldeutige Formulierungen. Ein gutes Zeugnis ist eine wertvolle Referenz für den ehemaligen Mitarbeiter und stärkt gleichzeitig das Image Ihres Unternehmens.
Fazit: Entschlüsseln Sie die Botschaften!
Ein Arbeitszeugnis ist ein komplexes Dokument, das sorgfältig analysiert werden sollte. Verstehen Sie die Bedeutung der einzelnen Formulierungen und nutzen Sie dieses Wissen, um Ihre beruflichen Chancen zu verbessern. Egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, ein fundiertes Verständnis der Zeugnissprache ist entscheidend für eine erfolgreiche Karriere bzw. eine faire Beurteilung von Mitarbeitern.