Der Markt für IT-Freiberufler boomte jahrelang. Softwareentwickler, Webdesigner, Datenanalysten und Projektmanager konnten sich vor Angeboten kaum retten. Doch in den letzten Monaten hat sich das Blatt gewendet. Immer mehr IT-Freiberufler berichten von einer spürbaren Abkühlung des Marktes. Die Suche nach dem nächsten lukrativen Software-Projekt gestaltet sich zunehmend schwierig. Woran liegt das und was können Freiberufler tun, um in dieser herausfordernden Situation zu bestehen?
Die Gründe für die Abkühlung des IT-Freelancer-Marktes
Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die zu der aktuellen Situation beitragen. Einige davon sind konjunktureller Natur, während andere strukturelle Veränderungen im IT-Sektor widerspiegeln:
1. Konjunkturelle Abschwächung und Unsicherheit
Die globale Wirtschaft befindet sich in einer Phase der Unsicherheit. Steigende Inflation, höhere Zinsen und geopolitische Spannungen dämpfen die Investitionsbereitschaft vieler Unternehmen. In unsicheren Zeiten sparen Firmen häufiger an Projekten, die nicht unmittelbar zur Umsatzsteigerung beitragen. Software-Entwicklungsprojekte, die langfristig angelegt sind oder Innovationen vorantreiben sollen, werden dann gerne aufgeschoben oder gestrichen.
2. Rückkehr zur Festanstellung
Während der Pandemie haben viele Unternehmen auf Freiberufler gesetzt, um schnell auf veränderte Anforderungen reagieren zu können. Die Flexibilität und die Möglichkeit, Spezialisten nur für bestimmte Projekte einzusetzen, waren entscheidende Vorteile. Mit dem Abflauen der Pandemie und der Rückkehr zur Normalität suchen viele Unternehmen wieder verstärkt nach festangestellten Mitarbeitern. Der Vorteil: Eine stärkere Bindung zum Unternehmen, leichteres Wissensmanagement und eine langfristigere Planung. Zudem ist die Angst vor der sogenannten „Great Resignation” weiterhin präsent, was Unternehmen dazu bewegt, in Festanstellungen zu investieren.
3. Interne Kompetenzaufbau
Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren erkannt, dass sie langfristig unabhängiger von externen Freiberuflern sein müssen. Sie investieren in den Aufbau interner IT-Kompetenzen, schulen ihre Mitarbeiter weiter und stellen neue Spezialisten fest ein. Dies reduziert den Bedarf an externen Dienstleistern, insbesondere für Standardaufgaben.
4. Verlagerung von Projekten ins Ausland
Die Offshoring-Trends im IT-Bereich sind nicht neu, haben sich aber in den letzten Jahren verstärkt. Unternehmen lagern verstärkt Software-Entwicklungsprojekte in Länder mit niedrigeren Lohnkosten aus. Dies betrifft nicht nur einfache Programmierarbeiten, sondern auch komplexere Aufgaben. Dies führt zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck für deutsche IT-Freiberufler.
5. Automatisierung und Low-Code/No-Code-Plattformen
Die rasante Entwicklung von Automatisierungstechnologien und Low-Code/No-Code-Plattformen verändert die Art und Weise, wie Software entwickelt wird. Immer mehr Aufgaben können automatisiert oder von Mitarbeitern ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse erledigt werden. Dies reduziert den Bedarf an hochspezialisierten Softwareentwicklern.
6. Überangebot an Freelancern
Der Boom der letzten Jahre hat auch zu einem Anstieg der Zahl der IT-Freiberufler geführt. Viele Quereinsteiger haben sich in den Markt gewagt, angelockt von den vermeintlich hohen Verdienstmöglichkeiten. Dies führt zu einem größeren Wettbewerb um die verfügbaren Projekte.
Was können IT-Freiberufler tun, um in dieser Situation zu bestehen?
Die Situation ist herausfordernd, aber nicht aussichtslos. IT-Freiberufler können verschiedene Strategien verfolgen, um ihre Chancen auf dem Markt zu verbessern:
1. Spezialisierung und Nischen finden
Wer sich auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert hat, hat bessere Chancen, sich von der Masse abzuheben. Kenntnisse in gefragten Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing, Cybersecurity oder Blockchain sind besonders wertvoll. Die Suche nach einer Nische, in der es wenig Wettbewerb gibt, kann ebenfalls sehr erfolgreich sein.
2. Weiterbildung und Zertifizierungen
Die IT-Branche ist einem ständigen Wandel unterworfen. Freiberufler müssen sich kontinuierlich weiterbilden, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Zertifizierungen von renommierten Anbietern können die Glaubwürdigkeit erhöhen und das eigene Profil aufwerten.
3. Stärkung des persönlichen Netzwerks
Ein gutes Netzwerk ist in der Freiberufler-Welt Gold wert. Kontakte zu ehemaligen Kollegen, Kunden und Branchenexperten können wertvolle Hinweise auf neue Projekte liefern. Die Teilnahme an Branchenveranstaltungen, Konferenzen und Online-Communitys ist eine gute Möglichkeit, das eigene Netzwerk zu erweitern.
4. Aktive Akquise und Selbstmarketing
Freiberufler müssen aktiv auf die Suche nach neuen Projekten gehen. Das bedeutet, das eigene Profil auf Online-Plattformen wie LinkedIn und Xing zu optimieren, aktiv Angebote zu suchen und sich bei potenziellen Kunden vorzustellen. Eine professionelle Website und überzeugende Referenzen sind ebenfalls wichtig.
5. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
In einem sich schnell verändernden Markt ist Flexibilität gefragt. Freiberufler sollten bereit sein, neue Technologien zu erlernen, sich an veränderte Anforderungen anzupassen und auch Projekte anzunehmen, die nicht unbedingt den eigenen Traumvorstellungen entsprechen. Die Bereitschaft, Remote-Arbeit zu leisten oder auch Projekte im Ausland zu übernehmen, kann die Chancen ebenfalls erhöhen.
6. Preisgestaltung überdenken
In einem wettbewerbsintensiven Markt kann es notwendig sein, die eigenen Preise anzupassen. Das bedeutet nicht, dass Freiberufler sich unter Wert verkaufen sollen, aber es ist wichtig, die Marktpreise im Blick zu behalten und gegebenenfalls Kompromisse einzugehen. Eine transparente und nachvollziehbare Preisgestaltung ist wichtig, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.
Fazit
Die Situation auf dem IT-Freelancer-Markt ist aktuell herausfordernd, aber nicht hoffnungslos. IT-Freiberufler, die sich spezialisieren, weiterbilden, ihr Netzwerk pflegen und aktiv akquirieren, haben gute Chancen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und eine realistische Preisgestaltung sind ebenfalls wichtige Erfolgsfaktoren. Die Krise kann auch als Chance gesehen werden, sich neu zu positionieren und die eigenen Stärken weiter auszubauen.